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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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ausgebreitet. Sie erinnerten ihn an das Licht auf Sonaren in alten U -Boot-Filmen, nur dass sie blau und nicht grün waren.
    Wieder hatte er sich beobachtet gefühlt.
    Dann hatte eine tiefe Stimme aus den pulsierenden Lichtringen ein einziges Wort gesagt: »Junge.«
    Vielleicht war ein Wort aus einer Sendung auf einem belegten Kanal in der Nähe in den unbelegten Kanal gesickert. Vielleicht war es auch nur Zufall, dass Winny ein Junge war und dass der Fernseher, der ihn zu beobachten schien, »Junge« und nicht »Banane« oder sonst etwas gesagt hatte.
    »Junge« , sagte die Stimme noch einmal, und Winny zog den Stecker.
    In der Nacht hatte er Schwierigkeiten damit gehabt, tief zu schlafen. Er war immer wieder aufgewacht und hatte erwartet, dass auf dem Fernsehbildschirm blaues Licht pulsierte, obwohl der Stecker rausgezogen war.
    Natürlich hatte Mrs. Dorfman an diesem düsteren Donnerstag, während Winny in Mrs. Grace Lymans Schule für Ringer war, das Gerät wieder eingesteckt, als sie sein Zimmer für den Tag sterilisiert hatte. Er spielte mit dem Gedanken, den Stecker zu ziehen, ehe etwas passieren konnte. Aber ein Teil von ihm wollte wissen, was das alles zu bedeuten hatte. Es war sonderbar, auf eine interessante Art sonderbar, nicht auf die beängstigende Art, von der man einen Schlaganfall bekommen oder sich in die Hose pinkeln könnte, sondern einfach unheimlich.
    Und vielleicht eine halbe Stunde, nachdem seine Mom »Ich hab’ dich lieb, mein kleiner Mann« gesagt und sein Zimmer verlassen hatte, war es dann passiert, während heftige Böen den Regen an das Fenster prasseln ließen. Aus dem Augenwinkel sah Winny, wie sich der Bildschirm mit pulsierenden Ringen aus blauem Licht füllte. Er blickte von seinem Buch auf und die Stimme sagte wieder: »Junge.«
    Winny wusste schon bei den meisten Menschen nie, was er sagen sollte, wenn sie versuchten, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Er fand es noch schwieriger dahinterzukommen, was er einem Fernsehgerät antworten sollte, das ihn zu beobachten und begrüßen zu schien – oder was auch immer es mit diesem einen Wort sagen wollte.
    »Junge« , wiederholte der Fernseher.
    Einem Fernseher zu antworten kam ihm leicht übergeschnappt vor, als spräche man mit einem Möbelstück. Winny legte sein Buch zur Seite und sagte: »Wer bist du?« Die Frage klang zwar ziemlich doof, aber ihm fiel keine klügere ein.
    Die Stimme war tief, aber doch irgendwie ausdruckslos, wie jemand, der auf einer Lautsprecheranlage eine langwei lige Ankündigung vorliest: »Junge. Oberirdisch. Erster Stock. Westflügel.«
    Der Fernseher schien Winny mitzuteilen, wo im Pendleton er sich aufhielt. Er wusste aber bereits, wo er war. Man brauchte es ihm nicht zu sagen. Falls ihn tatsächlich ein Typ durch den Fernseher beobachtete, dann schien er sich noch schlechter unterhalten zu können als Winny.
    Aber natürlich konnte es niemanden geben, der ihn beobach tete. Fernsehen funktionierte nur in eine Richtung. Ein Fernsehgerät empfing Signale. Es sendete sie nicht aus. Hier ging etwas anderes vor, ein kleines Rätsel, das sich lösen lassen würde, wenn er lange genug darüber nachdachte. Er war nicht hypergescheit, aber er war auch nicht dumm, nicht halb so dumm wie die Jungen in einigen der Bücher, die er las.
    »Junge. Schwarzes Haar. Blaue Augen.«
    Winny sprang aus dem Sessel auf.
    »Oberirdisch. Erster Stock. Westflügel.«
    Schwarzes Haar, blaue Augen: Irgendwo konnte ihn irgendwer durch dieses Fernsehgerät sehen. Daran bestand kein Zweifel. Das kleine Rätsel war plötzlich ein großes geworden.
    Winny gefiel nicht, wie seine Stimme zitterte, als er sagte: »Was willst du?«
    »Junge. Schwarzes Haar. Blaue Augen. Oberirdisch. Erster Stock. Westflügel. Eliminieren. Eliminieren.«
    Da er eher klein für sein Alter und dürr war und immer noch darauf wartete, einen Bizeps zu bekommen, rechnete Winny sich aus, wenn er jemals etwas tat, was auch nur im Entferntesten feige war, würde man ihn sicher für einen Waschlappen halten, der keinen Mumm hatte. Und wenn die Leute einen erst mal für einen Waschlappen hielten, würden sie niemals umdenken, es sei denn, man rettete hundert kleine Kinder aus einem brennenden Waisenhaus oder entwaffnete einen Terroristen und schlug ihn zusammen, bis er heulend nach seiner Mommy rief. Aber selbst dann konnte man nicht sicher sein, dass sie ihre vorgefasste Meinung änderten. Winny würde frühestens in zehn Jahren groß genug sein, um jemanden

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