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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Sie hatten ihre eigenen Aschenbecher mitgebracht, wie in den Zeiten der Prohibition, als manche Leute Schnapsflaschen in braunen Papiertüten ver steckten, und weder das Personal noch andere Gäste beschwerten sich darüber. Eine aufsässige Stimmung war so deutlich wahrzunehmen wie die Musik, obwohl viele der Gäste vielleicht nicht einmal in Worte hätten fassen können, wogegen sie aufbegehren wollten.
    An seinem Fenstertisch blickte Silas nach Osten die Straße hinauf, und durch den peitschenden Regen konnte er die Lichter des Pendleton sehen. Ihm gegenüber saß Perry Kyser, der für den Bauunternehmer, der 1973 das Belle Vista zum Pendleton umgebaut hatte, Baustellenleiter gewesen war. Kyser hatte gerade seinen Martini serviert bekommen und er hatte vor, den ersten Schluck genüsslich zu kosten, ehe er Silas die Geschichte anvertraute, die er ihm zu erzählen hatte.
    Er war ein hochgewachsener Mann, der mit fortschreiten dem Alter kein Fett angesetzt hatte. Trotz seiner Glatze und des schneeweißen Schnurrbarts sah er so aus, als könne er immer noch jede Arbeit auf einer Baustelle bewältigen. Er und Silas waren die bei Weitem ältesten Personen im Raum und die Einzigen, die Big Bands noch aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatten, als Swing noch die verbreitetste Tanzmusik gewesen war und in den Rundfunksendungen vorgeherrscht hatte.
    Perry Kyser war der Vater von Gordon Kyser, der in den Achtzigern und Neunzigern Anwalt in der Kanzlei Kinsley, Beckinsale, Gunther und Fortis gewesen war. Das war lange bevor Silas in den Ruhestand gegangen war, seine Frau verloren hatte, in seine derzeitige Wohnung gezogen war und die Geschichte des Gebäudes für ihn zu einer Art Besessenheit geworden war. In den Zeiten, als er Gordons Seniorchef gewesen war, war er Perry Kyser nie begegnet, doch die Verbindung zu dem Sohn hatte ausgereicht, damit der Vater sich bereit erklärte, über einen Vorfall zu reden, über den er bisher noch mit niemandem gesprochen hatte.
    Ihr Small Talk beschränkte sich auf Gordon und das Wetter und das Altern, und nach dem zweiten Schluck Martini kam Perry Kyser auf das Thema zu sprechen, das die beiden Männer zusammengeführt hatte: »Bei der Renovierung eines älteren Gebäudes, sei es nun ein Theater, eine Schule, ein Bürohaus oder ein Riesenklotz wie das Pendleton, ist es in der Vergangenheit fast immer schon zu einigen Todesfällen gekommen. Im Allgemeinen keine Morde. Eher Unfälle, Herzinfarkte und der gleichen. Und wenn man einen großen Bautrupp hat, kommt es etwa in der Hälfte aller Fälle vor, dass zwei oder drei Typen darunter sind, die etwas für Geistergeschichten übrighaben. Sie erfinden sie nicht, das will ich damit nicht behaupten, aber wenn über das Bauvorhaben oder seinen Standort irgendwelche Geschichten in Umlauf sind, werden diese Typen sie kennen und sie in den Pausen oder beim Mittagessen zum Besten geben. Wenn das passiert, wird auf einmal kleinen Zwischenfällen, bei denen sich normalerweise niemand etwas denken würde, eine viel zu große Bedeutung beigemessen. Sogar vernünftige, besonnene Menschen bilden sich dann ein, Dinge zu sehen … und sie glauben fest daran, dass sie diese Dinge tatsächlich gesehen haben. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
    »Suggestivkraft«, sagte Silas.
    »Ja. Aber so war es beim Pendleton nicht. Dort ist ’73 wirklich etwas passiert. Ende November, Anfang Dezember. Ich habe meinen besten Bauschreiner verloren, er hat die Arbeit hingeschmissen, weil er etwas gesehen hatte, er wollte nicht mal darüber reden, er wollte nur noch raus, weg von dort. Andere Männer, gestandene Kerle, haben behauptet, sie hätten etwas gesehen, was sie Schattenmenschen nannten. Dunkle Umrisse, die ein Zimmer durchquerten, durch einen Flur liefen, sogar durch Wände gingen, so flink wie Katzen, fast zu schnell für das menschliche Auge.«
    »Haben Sie diese Schattenmenschen gesehen?«
    »Nein. Ich nicht.« Kyser warf einen Blick auf die anderen Gäste und zögerte, statt seinen Bericht fortzusetzen. Als über lege er sich noch einmal, ob er seine Erlebnisse tatsächlich einem anderen Menschen anvertrauen sollte. »Nicht die Schattenmenschen.«
    Silas hakte nach. »Sie sagten ›Ende November, Anfang Dezember‹. Erinnern Sie sich noch genau daran, wie lange diese Phänomene gedauert haben?«
    »Soweit ich weiß, begannen sie am 29. November, einem Donnerstag. Das Letzte könnte am 1. Dezember beobachtet worden sein. Dieses Spukhausgerede scheint Sie

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