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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Anwalt wusste, dass eine Zwischenfrage den Redefluss hemmen konnte. In diesen Momenten waren Geduld und Schweigen erforderlich, um einen tief sitzenden Splitter Wahrheit herauszuziehen. Silas wartete also.
    Als Perry Kyser dem Anwalt endlich in die Augen sah, standen in seinem unbeirrbaren Blick Entschlossenheit, Intensität und Herausforderung, die ahnen ließ, dass er damit rechnete, auf Skepsis zu stoßen, dass er aber auch die Absicht hatte zu erreichen, dass sein Gegenüber ihm am Ende doch glaubte.
    »Jedenfalls bin ich an jenem Samstag im Keller, in dem späteren Fitnessraum, und nehme mein Mängelprotokoll auf. Dieser Lärm ertönt unter dem Gebäude, wie eine Kesselpauke, ein Tympanon. Dann schwillt das Geräusch zu einem Rumpeln an, begleitet von Vibrationen im Boden. Ich denke, das muss ein Erdbeben oder so was sein, also gehe ich in den Flur … und da ist nichts so, wie es sein soll, nicht so sauber und hell, wie wir es gemacht hatten, sondern feucht, schmutzig und muffig. Die Hälfte der Deckenlampen ist aus. Schimmel auf den Wänden und an der Decke, zum Teil schwarz, aber an manchen Stellen schwefelgelb, heller als die Deckenlampen. Am Ende des Flurs diese Überwachungsmonitore, die von der Decke hängen, und darauf sind Ringe von pulsierendem blauem Licht zu sehen. Einige Bodenfliesen haben Sprünge. Hier hat schon lange niemand mehr etwas instand gehalten. Das ist nicht einleuchtend. Also glaube ich, es liegt an mir, mit mir stimmt etwas nicht, ich habe Halluzinationen und sehe den Flur so, wie er nicht ist. Dann sehe ich dieses … dieses Ding . Es ist keine Sinnestäuschung, kein Streich, den mir die Schatten spielen, Silas. Es klingt zwar nicht glaubhaft, aber es war so real, wie Sie hier vor mir sitzen.«
    »Sie haben am Telefon gesagt, Sie hätten noch nie jemandem davon erzählt.«
    »Nie. Ich wollte nicht, dass die Leute mich so ansehen, Sie wissen schon, wie jemand, der behauptet, er sei in einem Ufo geflogen.«
    »Meiner Ansicht nach macht Ihr Schweigen in all diesen Jahren Sie umso glaubwürdiger, Perry.«
    Kyser trank seinen Martini in einem Zug aus. »Dann … bin ich also am Ende des Flurs vor dem Fitnessraum. Dieses Ding ist auf halber Höhe, in der Nähe der Tür zum Versorgungsraum mit der Heiß- und Kühlwasseranlage. Es ist groß. So groß wie ich. Größer. So bleich wie eine Made, und es sieht auch ein bisschen so aus wie eine Made, ist aber keine, weil es nämlich irgendwie auch etwas von einer Spinne hat, aber ein Insekt ist es auch nicht, es ist zu fleischig für eine Spinne. Jetzt denke ich: Wer hat mir da bloß was in meinen Kaffee geschüttet, was kann das bloß für eine Droge sein, und wie kommt die in meine Thermoskanne? Nichts auf Erden sieht so aus wie dieses Ding. Es entfernt sich von mir, in Richtung Wachraum, aber es hört mich oder es riecht mich und es dreht sich zu mir um. Es sieht aus, als könne es sich schnell bewegen, aber vielleicht kann es das gar nicht, denn es tut es nicht.«
    In Anbetracht der Geschichte des Pendleton und der gespens tischen Äußerungen auf den Schnipseln aus Andrew Pendletons Tagebuch hatte Silas schon erwartet, dass Kyser ihm von einem sonderbaren Vorfall berichten würde, wie bereits am Telefon angedeutet, aber das hier war bizarrer als alles, was sich Silas hätte ausmalen können.
    Perry Kyser sah Silas weiterhin in die Augen und schien sie unablässig nach Anzeichen von Ungläubigkeit abzusuchen.
    Die Intuition eines Anwalts sagte Silas, dass dieser Mann nicht log, dass er nicht lügen konnte , nicht wenn es um diese Sache ging, vielleicht sogar in keinem Punkt, der ihm wichtig war.
    »Diese Stimme dringt aus den blauen Monitoren – ›Eliminieren‹, sagt sie. ›Eliminieren.‹ Das Ding kommt auf mich zu. Jetzt kann ich sehen, wie knubbelig es ist, nicht wie irgendein Tier, knubbeliges Fleisch, bleiche Haut. Und feucht, vielleicht feucht von Schweiß, aber milchig feucht, ich weiß es selbst nicht. Eine Art Kopf, keine Augen, kein nennenswertes Gesicht. Um den Hals herum etwas, was Reihen von Kiemen sein könnten, aber kein Mund. Ich weiche zur nördlichen Treppe zurück und höre mich selbst sehr schnell sagen: ›… der du das höchste Gut und all meiner Liebe würdig bist‹, also bin ich schon halbwegs durch mit einem Sühnegebet, obwohl mir gar nicht klar war, dass ich damit begonnen hatte. Ich bin mir sicher, dass ich bereits tot bin. Während ich rückwärts auf die Tür zum Treppenhaus zugehe und das Sühnegebet

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