Nachtjaeger
Finger in sie einzudringen.
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich stattdessen auf seinen Herzschlag.
In den vier Tagen, die sie und Morgan zusammen in Jennas Räumen verbracht hatte – eingesperrt in ihren Räumen, wie sie sich empört erinnerte –, hatte Morgan ihr beigebracht, wie sie all das, was sie nicht sehen oder fühlen wollte, auszublenden vermochte. Sie hatte ihr gezeigt, wie sie den Ansturm von Empfindungen in den Griff bekam, der mit jeder Berührung eines anderen in ihr ausgelöst wurde.
Welch ein Glück, dass sie das jetzt konnte. Falls sie diese Schwierigkeit noch nicht überwunden hätte, wäre die vergangene Nacht – mit Leanders Händen, Mund und Körper auf und in dem ihren – etwas ganz anderes geworden.
Ihr Blick wanderte zu seinen Lippen, und ihr Finger folgte von seinen Brauen bis zu der geschwungenen Kurve seiner Oberlippe, ein Amor-Bogen mit perfekten Ausmaßen.
Sie wollte ihn küssen. Sie wollte erneut seinen Körper spüren und viele Stunden damit verbringen, ihn zu erkunden. Sie wollte ihm all ihre Geheimnisse und Ängste erzählen und wieder spüren, wie er sie ausfüllte, wie er sie von innen entzündete, bis sie sich in ihm verlor, in ihm und der Magie, die sie gemeinsam entfachten.
Sie war sich nicht sicher, was sie von all dem halten sollte – was auch immer all das sein mochte. Stirnrunzelnd dachte sie, dass es ihr im Grunde am liebsten wäre, wenn sie jegliche weitere Überlegung in dieser Hinsicht für so lange wie möglich aufschieben konnte. Am liebsten für immer.
Letzte Nacht verändert gar nichts, dachte sie entschlossen und ließ die Hand sinken, um nicht weiter sein Gesicht zu erkunden. Überhaupt gar nichts.
Der einsame Schrei eines Falken, der durch den morgendlichen Himmel glitt, zog ihre Aufmerksamkeit wieder zu den Fenstern.
Ein seltsames Verlangen breitete sich in ihr aus, als sie den Wald betrachtete. Es war ein tief reichendes, urtümliches Verlangen, wie eine Bassnote, die einmal angeschlagen wurde. Der Ton wurde nicht schwächer. Er nahm vielmehr an Intensität zu und vibrierte in ihrem Bauch, während sie auf die zahlreichen Bäume blickte, die bis weit in die Ferne über die Hügel reichten. Das plötzliche Bedürfnis, den erdigen Waldboden unter ihren Füßen zu spüren, war nicht zu leugnen, sondern reizte sie vielmehr unwiderstehlich.
»Er ruft nach dir«, murmelte Leander. Er drehte sich ein wenig zur Seite, wodurch ihr der warme Duft seiner Haut in die Nase stieg. Sie fühlte sich wunderbar von ihm umhüllt. Die Hitze seiner Hand brannte auf ihrer Hüfte. »Das tut er doch, nicht wahr?«
Er schlug die Augen auf und blickte sie voll wissender Leidenschaft an.
Jennas Wangen wurden tief rot. Sie wünschte sich, dass ihre Reaktionen nicht derart sichtbar für ihn wären. Die Erinnerung an die Lust, die er ihr mit seinem Körper, seinen Händen, seinen Lippen und seiner Zunge bereitet hatte, besaß eine wunderbare Süße, die sie förmlich zu schmecken glaubte. »Der Wald? Ja, das tut er wohl. Ich fühle mich … sicher hier. Zu Hause.«
»Das liegt daran, dass es dein Zuhause ist.« Er reckte sich wie eine Katze im Sonnenlicht, verschlafen und lasziv, zugleich jedoch in der Lage, von einer Sekunde zur anderen hellwach zu sein und eine Maus zu verschlingen.
Oder sie.
Er machte es sich auf der Matratze bequem und schob seine Hand über ihre Hüfte, um einer unsichtbaren Spur auf ihrem Rücken zu folgen, indem er sie mit seinem Daumen in kleinen Kreisen streichelte. Ihr ganzer Körper schien unter Strom zu stehen.
»Was meinst du damit?«, fragte sie leichthin und versuchte, das Gefühl der Lust zu ignorieren, das seine Hände in ihr auslösten. Es reichte offenbar bereits die zarteste Liebkosung. Im klaren Morgenlicht schien dennoch die Erinnerung an ihre völlige Hingabe in der Nacht zuvor seltsam weit weg zu sein. Am besten dachte sie nicht mehr daran.
Leander stützte sich auf einem Ellenbogen ab und betrachtete Jenna aus halb geschlossenen Augen und mit einem mysteriösen Lächeln. Selbst hinter dem Vorhang aus glänzend schwarzen Haaren verborgen, leuchteten seine Augen noch immer wie Edelsteine, in denen sich das Licht brach.
»Du bist hier zur Welt gekommen.«
Abrupt setzte sie sich auf. Das weiße Betttuch aus Satin glitt bis zu ihrer Taille herab. Ihre Haut zog sich zusammen, als sie die kühle Luft spürte. Sie starrte Leander mit großen Augen an.
»Was?«
Sein Blick wanderte zu ihren nackten Brüsten, ehe er erneut in
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