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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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Grund, warum ich hierhergekommen bin.« Sie wandte sich ab und klammerte sich dabei so fest an die Decke, dass ihre Fingernägel durch den Stoff fast in ihre Handflächen schnitten. »Das hier«, sagte sie und wies mit der Hand auf Leander, das Zimmer hinter ihm und das zerwühlte Bett, »war nur ein unglücklicher Unfall.«
    Er ließ die Hand sinken. Wahrscheinlich bildete es sie sich nur ein, aber auf einmal schien das Zimmer um mehrere Grad kälter geworden zu sein. Verstohlen warf sie einen Blick in seine Richtung. Jetzt musterte er sie wieder aus schmalen, strengen Augen.
    »Verstehe.«
    Er wandte den Kopf ab und blickte auf die Landschaft vor den Fenstern. Wieder fielen ihr seine markanten Gesichtszüge auf – die vollen, ernsten Lippen und der Schwung seiner langen Wimpern, die so vollkommen im Licht des Morgens schimmerten.
    Er sah genauso nach dem aus, was er war, wie ihr auf einmal mit einem kalten Schauder bewusst wurde.
    Nach dunkler Magie.
    Anziehend, betörend, gefährlich. Zu allem bereit.
    »Also gut«, sagte er durch zusammengepresste Lippen. »Wenn du nur an Antworten interessiert bist …«
    Er trat ein paar Schritte zur Seite, hielt einen Moment inne und ging dann zu dem großen Marmorkamin, der sich am anderen Ende des Zimmers befand. Am Abend zuvor hatte darin kein Feuer gebrannt. Die Asche war kalt. Jenna folgte Leander mit den Augen und beobachtete, wie er sich mit einer Hand auf dem Kaminsims abstützte.
    Dann drehte er sich zu ihr um. Seine Miene war für sie nicht zu lesen.
    »Dann wirst du deine Antworten erhalten. Wenn du mir bitte folgen würdest.«
    Er verwandelte sich in Nebel und verschwand in der schwarzen Öffnung des Kamins. Ein Hauch grauen Rauchs blieb noch in der Luft hängen, als er nach oben schwebte und sich in dem morgendlichen Himmel auflöste.
    Sie brauchte nur einen Moment, um ihre Überraschung abzuschütteln und sich ebenfalls zu verwandeln. Die Decke, die sie soeben noch umhüllt hatte, glitt zu Boden, und Jenna schoss durch den verrußten Kamin, um oben aus einem bronzenen Kaminaufsatz in den Himmel zu schweben. Leander war bereits kaum mehr zu sehen. Die Wolken begannen sich immer stärker zusammenzuziehen und jegliches Sonnenlicht zu verschlucken.
    Er war eine blasse Erscheinung aus fließender Bewegung, wie er so hoch oben im Himmel über den grünen, gepflegten Gärten von Sommerley dahinflog. Fast hatte er bereits die Baumgrenze erreicht.
    Er war schnell.
    Sie schoss ihm hinterher, fort von dem Dach, hinein in die Luft, silbergraue Wolken durchbrechend. Ein kühler Wind umfing sie, die feuchtschwere Luft bremste sie. Doch Jenna war entschlossen, Leander nicht aus den Augen zu verlieren.
    Wohin wollte er?
    Der Boden unter ihr verwandelte sich in ein buntes Muster aus Farben. Aus den Gärten von Sommerley wurden zuerst Felder und dann Hügel, die voller Heidekraut und Torf waren. Schließlich kam der Wald. Die dunklen Bäume standen so dicht nebeneinander, dass es so aussah, als wäre er aus Wasser. Ein riesiger, uralter See – ruhig auf der Oberfläche, doch voller Gefahr und Geheimnisse in seinen Tiefen.
    In der Ferne begann es zu donnern.
    Die ersten Regentropfen fielen, als Jenna Leander aus den Augen verloren hatte. Er war hinter einem Hügel verschwunden. Der leichte Nebel, der sich gebildet hatte, verwandelte sich in einen Schild aus Wassertropfen, die zuerst weich und dann immer härter und prickelnder wie Millionen winziger Nadeln durch sie hindurchfielen. Sie erhob sich höher in den Himmel, überwand den Hügel und hielt dann inne. Suchend sah sie sich im bleischweren Himmel und dem dunklen, stillen Wald unter ihr um.
    Leander war nirgendwo zu sehen.
    Sie nahm seinen Geruch in südlicher Richtung wahr, etwa zwanzig Kilometer entfernt. Es war nur ein schwacher Duft aus Gewürzen und Rauch, der durch den eisigen Wind zu ihr durchdrang. Nur wenige Atome seiner Gegenwart hingen noch in der Luft. Doch sie reichten. Jenna schoss los und folgte den Atomen wie kleinen Hinweisen in einem Versteckspiel. Schließlich wurde der Geruch wieder stark genug, dass sie am Rand einer Wiese innehalten und die Gegend genauer durchforsten konnte.
    Es war keine natürliche Lichtung, wie sie bemerkte, als sie darüberschwebte. Sie war künstlich angelegt worden und hatte Blumenbeete und eine kleine Steinmauer, die sie umzäunte.
    Wo war Leander? Der Regen durchschnitt sie jetzt so heftig, dass sie sich darauf konzentrieren musste, sich nicht wieder zurückzuverwandeln. Es war

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