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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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wusste sie, dass sich ihr Bruder nach einer Partnerin sehnte, die ihn liebte und die sich gegen ihn behauptete und ihn zugleich unterstützte – die das Beste in ihm zum Vorschein bringen würde. Jenna schien für diese Aufgabe perfekt zu sein. Vielleicht vermochte sie ihn sogar zu überreden, den Frauen der Kolonie mehr Entscheidungsgewalt zu geben, damit auch diese ihr Leben ein wenig besser gestalten konnten.
    Ein Sternenhaufen im Bild der Jungfrau blinkte zu ihr herab – Millionen von Lichtjahren entfernt, voller Träume und Versprechen.
    Da hatte sich eine Hand auf ihren Mund gelegt.
    Sie war schwielig, rau gewesen und mit etwas Klebrigem wie Harz bedeckt. Eine Sekunde später hatte Daria einen stechenden Schmerz auf ihrem Hinterkopf gespürt, der sie scharlachrote und orangefarbene Sternchen hinter ihren geschlossenen Lidern sehen ließ. Übelkeit und Schwindel hatten sie erfasst, rasch gefolgt von einer zunehmenden Dunkelheit. Dann nichts mehr.
    Bis sie wieder zu sich gekommen war und festgestellt hatte, dass sie gefesselt war, ihre Haut blutete und man ihren Körper auf eine dreckige, stinkende Decke in einen schwarzen Kofferraum geworfen hatte. Das leise Surren rollender Reifen auf einer Straße kam ihr wie der Abschiedsgesang auf ihr Leben vor. Sie wurde weggebracht, und mit jedem Kilometer, den sie weiterfuhr, schwand ihre Hoffnung auf Rettung.
    Sie wusste, dass sie ihnen nicht entkommen konnte. Sie war geschwächt, gefesselt und verletzt. Sie konnte sich nicht verwandeln. Verzweifelt biss sie sich auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken, und betete, dass sie stark genug sein würde, nichts zu verraten.
    Obwohl die Expurgari sicher schreckliche Methoden hatten, um sie zum Reden zu bringen.
    Darias Herz schlug ängstlich und voller Qualen in ihrer Brust, als der Wagen langsamer wurde und dann anhielt. Sie hörte, wie Türen geöffnet und wieder geschlossen wurden, das Knirschen von Stiefeln auf Kies und gedämpfte Stimmen von Männern, die etwas sagten, das sie nicht verstand. Ein kalter Windstoß traf auf ihre nackte Haut, als der Deckel des Kofferraums geöffnet wurde. Sie schrie gegen den Knebel in ihrem Mund an, als vier große Hände sie an Handgelenken und Fußknöcheln packten und sie aus dem Wagen hievten.

21
    Leander hatte Jennas Reaktion auf das Grab ihres Vaters nicht vorhergesehen. Wie hätte er auch? Bisher war sie ihm als eine Frau erschienen, die so stark und trotzig sein konnte, dass man ihr nicht einmal sagen konnte, wie viel Uhr es war, ohne einen sofortigen Widerspruch von ihr zu erhalten.
    Doch der Anblick des flachen Steins, in den der Name ihres Vaters gemeißelt war, ließ sie wie ein weggeworfenes Taschentuch zu Boden sinken und weinen. Sie schluchzte so heftig, dass ihr ganzer Körper zitterte. Nach einer Weile kniete sie sich hin, die Haare nass und schwer über ihren Schultern und ihrem Rücken, wie ein tropfender Trauerschleier. Ihre Knie und ihre Finger sanken tief in die feuchte Erde.
    »Warum?«, sagte sie gequält und heiser zu dem Grabstein. Ihre Stimme ging im Donner des Unwetters beinahe unter. »Warum hast du mich verlassen?«
    Leander kniete sich neben sie und legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter, die sie jedoch sofort wegschlug. Ein Fleck schmutziger Erde blieb auf seinem Handgelenk zurück. Sie drehte sich ihm mit weit aufgerissenen Augen voller Verzweiflung zu.
    »Du hättest ihm helfen können!«, schrie sie, das Gesicht totenbleich. Auf ihren Fersen vor und zurück wippend, die Zähne entblößt, strömten ihr heiße Tränen und kalter Regen die Wangen hinunter und vermischten sich zu großen Tropfen. »Du hättest sie aufhalten können!«
    Er spürte das Tier in ihr, das unter der menschlichen Oberfläche fauchte – eine dunkle, tödliche Kreatur, vor Zorn brüllend, bereit zum Sprung.
    »Nein«, sagte er leise und vorsichtig.
    Er bewegte sich nicht. Er wandte auch nicht den Blick ab, obwohl der eisige Regen und die kalte Luft so sehr in seine nackte Haut schnitten, dass es wehtat. Dennoch rührte er sich nicht von der Stelle, sondern kniete weiterhin regungslos im langen Gras auf dem nassen Erdboden. Er atmete so regelmäßig wie möglich und behielt eine neutrale Miene. Auf keinen Fall wollte er sie durch plötzliche Bewegungen über den Abgrund stoßen, vor dem sie sich befand.
    Wenn sie sich jetzt in einen Panther verwandelte, würde sie ihn garantiert ohne zu zögern angreifen.
    In Tiergestalt waren die Ikati gefährliche Urwesen,

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