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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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unangenehm. Sie zog sich zusammen und kämpfte gegen den Sturm an. Viel länger konnte sie in dieser Gestalt sicher nicht verweilen.
    In diesem Moment sah sie auf der anderen Seite der Lichtung direkt neben einer großen, tropfnassen Konifere das Schimmern von Wasser, das über nackte Haut lief.
    Er hockte auf dem Boden, mit einer Hand auf der rauen Rinde des riesigen Baums, mit der anderen in der Erde. Ohne zu lächeln sah er zu ihr hoch.
    Sie umkurvte die Grenzen der Lichtung, während sie die Schönheit des angelegten Gartens, der Gräser und der seltsam flachen, moosbewachsenen Steine betrachtete. Dann verwandelte sie sich hinter Leander wieder in ihre Menschengestalt zurück. Erleichterung machte sich in ihr breit, als sie die Luft in ihre Lungen sog und ihre Glieder streckte. Der Geruch nach nasser Erde und Regenwasser sowie Leanders Duft stiegen ihr in die Nase, rasch gefolgt von der beißend kalten Luft auf ihrer nackten Haut.
    Sie wurden von der Brise des kalten Sturms durch das Dach aus Ästen über ihnen geschützt. Doch der Regen drang trotzdem bis zu ihnen vor. Innerhalb weniger Sekunden war auch Jenna klatschnass. Sie bahnte sich einen Weg über den weichen Boden aus Laub und Moos, um sich neben Leander niederzulassen. Mit den Knien in der feuchten Erde zitterte sie vor Kälte. Sie sahen einander nicht an.
    »Wo sind wir?«
    Seine Stimme erinnerte an die kalte Luft um sie herum. »An der letzten Ruhestätte der Ikati.«
    Jenna sprang sogleich auf. Sie vergaß, dass sie nackt war, sie vergaß die Kälte, die Nässe und den Sturm über ihr. Leander erhob sich schweigend und wandte ihr das Gesicht zu.
    »Du hast mich zu einem Friedhof gebracht?« Sie sah zu, wie ein Regentropfen auf seine Wange fiel und einer Träne gleich an ihr hinunterlief. Er blinzelte nicht einmal. »Warum?«
    »Ich wollte dir etwas zeigen«, sagte er ruhig, die Augen dunkel und undurchdringlich.
    »Was?«
    In seinen Augen schimmerte einen Moment etwas auf, das jedoch sofort wieder verschwand.
    »Das Grab deines Vaters.«
    Er wandte sich ab und trat auf die Lichtung hinaus. Der Sturm wütete. Sein nackter Körper war sogleich triefend nass, seine schwarzen Haare klebten ihm auf den Schultern und wurden ihm aus dem Gesicht geblasen.
    Jenna starrte ihn an. Sie war wie versteinert.

20
    Daria war nackt.
    Außerdem war sie geknebelt und hatte eine Binde vor den Augen. Ihre Arme und Beine waren so fest mit einem Seil gefesselt, dass es in ihre Haut schnitt und sie bluten ließ. Es war nicht der einzige Teil ihres Körpers, der blutete. Das große Kreuz, das sie mit einem Jagdmesser in ihren Oberarm geschnitten hatten, blutete ebenfalls noch immer heftig.
    Seit Stunden war sie bereits im Kofferraum dieses Fahrzeugs eingesperrt. Sie war mit einem dumpfen Schmerz im Kopf wieder zu sich gekommen. Man hatte ihr mit einem stumpfen, schweren Gegenstand auf den Schädel geschlagen, ihre Arme hinter den Rücken gefesselt, die Knie bis zu ihrer Brust hochgezogen und ebenfalls zusammengebunden. Sie zitterte so heftig, dass ihr ganzer Körper erschüttert wurde.
    Man würde sie töten. Dessen war sie sich sicher. Expurgari. Entsetzen und Zorn ließen ihren Magen verkrampfen. Ihr Mund schmeckte nach Galle und Angst.
    Sie hatte nicht gehört, wie sie sich angeschlichen hatten, was bedeutete, dass sie sowohl durchtrieben als auch schlau waren. Sie hatte sie auch nicht gerochen. Sie mussten also wissen, wie sie ihren Geruch vor den Ikati verbargen.
    All das bedeutete auch, dass sie direkt unter ihren Augen auf sie gewartet und sie beobachtet hatten.
    Daria war von dem vielen Tanzen auf dem Ball ganz außer Atem gewesen. Sie hatte mit ihrem Mann, einem seltsam abwesenden Christian und vielen anderen Angehörigen des Stammes – sowohl Freunde als auch Verwandte – viele Runden auf dem Parkett gedreht, ehe sie in den Rosengarten hinausgetreten war, um etwas frische Luft zu schnappen. Nur einen Moment lang war sie allein gewesen. Sie hatte sich an ein Spalier gelehnt, das voll blühendem Jasmin war, und zu den Sternen hochgeblickt.
    Zweifelsohne war sie abgelenkt. Die Nachricht, dass Jenna sich vor dem Rat und den Alpha verwandelt hatte und zwar durch einen Kuss von Leander, hatte sich wie Lauffeuer durch die versammelte Party-Gesellschaft verbreitet. Danach waren die beiden verschwunden.
    Vermutlich, um noch weitere Dinge zu besprechen.
    Daria lächelte, während sie zu den Sternen hinaufblickte und über die beiden nachdachte. Trotz seiner Unabhängigkeit

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