Nachtjäger
Lügen und andere Länder waren ihnen zu desolat erschienen.
Caroline brauchte fünf Jahre, um die Sprache zu lernen und inzwischen ertappte sie sich dabei, Deutsch zu träumen.
Wie heute Nacht.
Morgos Daargon!
Mit dem sich alles geändert – mit dem alles begonnen hatte!
Morgos Daargon, der mächtigste Vampir aller Zeiten!
»Geht er dir noch immer durch den Kopf?«, fragte Frederic, der ihr einen Arm um die Schulter legte.
»Wie sollten wir ihn je vergessen?«, fragte Caroline.
»Lass uns später darüber reden«, sagte Frederic. »Es gibt Neuigkeiten aus Berlin.«
Sie fuhr herum. »Schon?«
»Ja, man hat sie ausfindig gemacht. Unsere Informanten wissen jetzt, wo sie sich treffen.«
»Das wurde auch Zeit.«
»Ja, das wurde es. Es gab zu viele Morde, die die Polizei nicht aufklärte. Sie nennen sich Red Devils und tarnen sich als Rocker. Sie fahren Motorräder und verbergen ihre Münder unter dichten Bärten.«
Ludwig hinter ihnen sagte: »Das Frühstück ist gerichtet.«
Caroline lächelte. Ein Butler, wie er im Buche stand. Von ihnen Vier hatte er sich am wenigsten verändert, vermutlich war seine Kleidung zu klassisch. Obwohl – er konnte auch anders aussehen. Dann, wenn sie auf Jagd gingen. In den Jahrzehnten ihrer Freundschaft hatte Ludwig sich als Tüftler erwiesen, der über ein Waffenarsenal verfügte, dass seinesgleichen suchte. Modernste Schusswaffen mit Munition, die mit Lilous Voodoo eine sichere Bank war.
Sie setzten sich und Lilou DeSoussa kam hinzu. Schlank und sportlich war sie eine attraktive dunkelhäutige Frau. Noch immer kleidete sie sich farbenfroh, allerdings der Mode verpflichtet. Sie sagte: »Wie es aussieht, geht es nach Berlin?«
»So ist es«, gab Ludwig zurück und küsste Lilous Nacken.
Caroline schmunzelte. Es hatte fast fünfzehn Jahre gedauert, bis die Beiden sich ihre Liebe gestanden hatten und sie passten gut zusammen, auch wenn Lilou zwanzig Jahre jünger war.
»Eine Standardsache oder ist es gefährlich?«, fragte Lilou. Sie duftete nach einem teuren Parfüm, was den Staubwedel, der neben ihrem Stuhl lag, umso bizarrer machte. Doch so wollte sie es. Sie hielt es für zu gefährlich, Fremde ins Haus zu lassen und das war sicher richtig so.
»Standard«, sagte Ludwig. »Eine Stunde Flug, zum Club und den Kerlen in den Hintern treten.«
Frederic zuckte zusammen.
Caroline sah es aus dem Augenwinkel.
Er war ein Vampir. Ein sehr reicher Vampir. Genau genommen unglaublich reich! Er hatte sein Geld auch dafür benutzt, gentechnisch behandeltes Blut erstellen zu lassen, sodass er nun so etwas wie Menschenblut zu sich nahm, das seine dunklen Sinne jedoch in Ruhe ließ.
»Alkoholfreies Bier«, hatte Ludwig gesagt.
Frederic hatte geknurrt und getrunken.
Caroline liebte diese Epoche. Alles war so einfach und mit Geld war fast alles zu haben. Das war zwar schon immer so gewesen, doch die Auswahl war bedeutend größer als zum Beispiel in den Zwanzigerjahren oder danach, als die Welt vom Krieg erschüttert wurde.
Rein wissenschaftlich konnte Frederic fast alles simulieren, was ihm als Vampir gut tat, ohne seine Freunde zu gefährden. Enzyme und Gerüche, Haptik und Geschmack, Blutkörperchen und Proteine, Salze, Hormone, Gase, einfach alles.
Ein High-Tech-Vampir sozusagen, auch wenn er das nicht gerne hörte.
Dennoch gab es sie noch, die der alten Garde.
Dunkle Wesen, die aus Lust und Hunger mordeten. Und sie wurden mehr. Hatten sich viele von ihnen schlafend verhalten, um auf Zeiten zu warten, in denen es sich lohnte, ein Vampir zu sein, kehrten sie nun zurück. Schuld daran war die weltweite Medienszene, in der Vampire idealisiert und romantisiert wurden. Das drehte einem Vampir den Magen um und nicht wenige fletschten die Zähne und waren drauf und dran, eine Filmpremiere zu stürmen, die Schauspieler an sich zu reißen, um ihnen vor laufenden Kameras in die Gurgel zu beißen, bis Blut spritzte, ihnen Fleisch und Haut und Knochen vom Körper zu fetzen, bis eine Massenpanik ausbrach.
Man würde ein für alle Mal aufhören, aus ihnen blutdürstige Märchenwesen zu machen, die sie nie gewesen waren.
Stil hatten manche von ihnen, oh ja – aber sie waren dennoch Wesen der Nacht, unbarmherzig und egoistisch.
»Wann geht es los?«, fragte Ludwig. In seinen uralten Augen leuchtete das Feuer eines Dreißigjährigen. Er hielt sich mit moderatem Sport fit und sein Blutdruck betrug 120 zu 80. Er trank seit knapp fünfzig Jahren keinen Alkohol und geraucht hatte er nie
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