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Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachtkalt: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Franley
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abzweigte, anhielt, dämmerte es bereits und obwohl sie während der letzten Stunden nicht mehr an das unbehagliche Gefühl vom Vormittag gedacht hatte, wirkte das diffuse Licht beunruhigend auf Anja. In die meisten Vorgärten der wenigen umliegenden Häuser drang jetzt schon kein Tageslicht mehr, sodass immer mehr dunkle Ecken und Winkel entstanden. Immer wieder glaubte Anja in der Dunkelheit eine Bewegung zu sehen und sie fragte sich schon, was mit ihren Nerven nicht stimmte. Sie war sonst absolut kein ängstlicher Mensch, aber seit einigen Tagen schienen ihre Instinkte überzureagieren, was sie schreckhaft werden ließ.
    Obwohl sie Gerald ständig zur Eile antrieb, ließ sich dieser nicht davon abhalten, einzelne Blätter des herumwirbelnden bunten Laubs zu fangen. Hatte er ein Blatt erwischt, blieb er stehen und musterte es, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Obwohl es vom Bus aus nur wenige hundert Meter bis zu ihrem Elternhaus waren, hatten sie nach zehn Minuten gerade einmal den halben Weg geschafft. Ein Stück weiter, sie hatten gerade das letzte Nachbarhaus passiert, kamen sie schließlich überhaupt nicht mehr voran. Der letzte Abschnitt des Weges führte durch ein kleines Wäldchen, dessen Bäume offenbar beschlossen hatten, ausgerechnet heute alles Laub auf einmal abzuwerfen, was dazu führte, dass Gerald sich nicht mehr für ein Blatt entscheiden konnte. 20 Meter vor dem Haus gab Anja auf und ließ ihren Bruder einfach draußen stehen.
    Nachdem sie den ganzen Weg lang mit Gerald beschäftigt gewesen war, zog sich ihr Magen nun beim Anblick des Hauses wieder etwas zusammen. Umgeben vom Wald stand es vor ihr und Anja fragte sich, wie es ihre Mutter hier alleine aushielt. Das Rauschen einer Windböe, die sich in den Baumwipfeln fing, verstärkte ihre innere Unruhe und Anja beeilte sich die letzten Meter zu überwinden. An der Haustür angekommen, schloss sie auf, ging aber nicht hinein. Stattdessen drehte sie sich um und blickte den Weg zurück. Die inzwischen fortgeschrittene Dämmerung ließ sie alles nur noch schemenhaft erkennen. Gerade als sie nach Gerald rufen wollte, hielt sie inne. Dieser stand immer noch dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte, allerdings schien er sich jetzt mit jemand, der zwischen den Bäumen stehen musste, zu unterhalten. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, was sie tun sollte, dann holte sie die Taschenlampe aus der Kommode neben der Tür, leuchtete erst den Weg entlang und dann neben ihrem Bruder in den Wald hinein. Durch die vielen Bäume kam aber kaum dort Licht an, wo sie es haben wollte. Die Bewegung im Unterholz dauerte nur einen Wimpernschlag, aber Anja war sich sicher, dass sich dort etwas bewegt hatte. Fast schon hysterisch schrie sie: »Gerald, komm sofort hierher!« Dann ließ sie eine kurze Pause folgen, in der sie versuchte, etwas ruhiger zu werden, um anschließend mit möglichst fester Stimme zu rufen: »Und Sie, wer immer Sie sind, wenn ich Sie hier noch einmal sehe, rufe ich die Polizei!«
    Polizei war Geralds Stichwort. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er einen Heidenrespekt vor uniformierten Polizisten. Wie vom Teufel geritten, rannte er auf seine ungelenke Art los und stürmte kurz darauf an Anja vorbei, hinein ins Haus. Nachdem sie den Lichtschein noch einmal durch die Bäume wandern ließ, betrat auch Anja das Haus, verschloss sorgfältig die Haustür und ließ alle Rollos herunter. Dann pfiff sie auf die zu erwartende Moralpredigt ihrer Mutter und zündete sich in der Küche eine Zigarette an. Nach drei, vier Zügen war sie endlich ruhig genug, um ihren Bruder in normalem Tonfall zu fragen: »Mit wem hast du da draußen gesprochen?«
    Gerald saß wieder an seinem Lieblingsplatz und da ihm der Blick in den Garten durch das Rollo versperrt war, galt seine komplette Aufmerksamkeit wieder den Fotos seiner Schwestern.
    »Gerald!« Dieses Mal war Anjas Ton wesentlich schärfer und tatsächlich hob dieser seinen Blick.
    Sie wiederholte ihre Frage: »Mit wem hast du gerade gesprochen? Wer war da im Wald?«
    Für einen Augenblick schien es, als würde Gerald wieder abgleiten, doch dann antwortete er: »Kein Gesicht, nur Stimme.«
    »Und was sagte die Stimme?« Anja rang mit ihrer inneren Unruhe, denn seine Antwort bedeutete, dass sie sich tatsächlich nicht geirrt hatte und da draußen jemand um das Haus schlich.
    »Die Stimme sagte, ich kann, soll, immer in den Wald kommen ...«, ihr Bruder suchte sichtbar nach Worten, »... und dort bekomme ich

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