Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
super tolle Pinsel zum ... für das Malen.«
Anja sparte sich jede Ermahnung, nicht in den Wald zu gehen, es würde sowieso nichts nützen. Stattdessen drückte sie ihre Zigarette auf einem Unterteller aus und ging entschlossen zum Telefon. Als würde sie immer noch beobachtet werden, klingelte dieses genau in dem Augenblick, als sie es aus der Ladestation nehmen wollte. Sie drückte auf die grüne Taste, hielt sich das Gerät an das Ohr und erstarrte. Der Mann sprach absolut ruhig, doch seine Stimmlage ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Ohne jede Begrüßung sagte er: »Hör gut zu, Anja. Ab heute bin ich immer in eurer Nähe und das nächste Mal, wenn du deinen Bruder alleine lässt, könnte dieser einfach so verschwinden, wie ein Regentropfen in der Erde verschwindet.« Anja wollte gerade dazu ansetzen etwas zu sagen, als der Mann fortfuhr, wobei er dieses Mal eher wie ein Lehrer der alten Schule klang: »Psssst, du musst nichts fragen, höre einfach zu ... ob du willst oder nicht, wir beide sind ab jetzt unzertrennlich miteinander verbunden. Ich weiß, dass dein Hirn gerade nach einem Grund dafür sucht, doch es wird keinen finden. Ich habe dich ausgesucht, mehr ist da nicht. Vielleicht hat mir deine kleine Blinddarmnarbe gefallen, vielleicht auch nur wie du das R rollst. Nimm es einfach hin, ab jetzt gehen wir ein Stück des Weges gemeinsam.« Dann herrschte eine gefühlte Ewigkeit Stille in der Leitung, bis endlich das fast schon aggressiv klingende Freizeichen ertönte.
Ohne dass Anja darauf Einfluss nehmen konnte, hatte ihre Hand zu zittern begonnen, und nur mit Mühe schaffte sie es den roten Knopf zu drücken. Ohne Erfolg versuchte ihr Verstand zu sortieren, was sie gerade gehört hatte, doch nichts ergab einen Sinn. Nach einem gejagten Blick zur nahen Haustür wählte sie die Notrufnummer der Polizei, erklärte, was passiert war, und setzte sich anschließend zu ihrem Bruder in die Küche.
Als einige Minuten später der tiefe Ton der Türglocke ertönte, hätte Anja fast aufgeschrien, so sehr war sie in Gedanken. Mit noch immer weichen Knien ging sie zur Haustür und fragte laut: »Wer ist da?«
Die Aussage »Polizei, Sie haben uns gerufen.« sorgte nur kurz für Erleichterung, dann wurde ihr klar, dass das jeder sagen konnte. Erst als sich auch eine weibliche Stimme mit den Worten »Ist alles in Ordnung bei Ihnen, bitte öffnen Sie die Tür.« meldete, reichte Anjas Mut, um die Tür einen Spaltbreit zu öffnen. Ihr misstrauischer Blick fiel zunächst auf die beiden Beamten, dann musterte sie unbewusst auch noch den sichtbaren Bereich hinter ihnen.
»Ist alles in Ordnung?«, wiederholte die junge Polizistin, die zwei Schritte hinter ihrem älteren Kollegen stand und die Hand nahe an der Waffe hatte.
Anja entspannte sich etwas, nickte und sagte erschöpft: »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Bitte kommen Sie herein, es kann sein, dass wir beobachtet werden.«
Der ältere Beamte runzelte die Stirn, warf einen skeptischen Blick über die Schulter, nickte seiner Kollegin zu und trat ein.
Anja verschloss die Tür und wies den beiden mit den Worten »Die erste Tür rechts« den Weg in die Wohnküche, bereute dies aber umgehend. Geralds Schrei ging durch Mark und Bein, dann folgte ein lautes Poltern und ein winselndes Geräusch.
»Scheiße!«, stieß Anja aus, schob sich an den kampfbereiten Beamten vorbei und sah sich suchend um. Ihr Bruder hatte seinen Stuhl umgeworfen und kauerte nun zitternd im angrenzenden Wohnzimmer zwischen Sessel und Sofa.
»Was ist mit ihm?«, fragte der Polizist, der Anja gefolgt war. Anja drehte sich zu ihm um und erklärte: »Tut mir leid! Mein Bruder ist Autist und ich hatte vergessen, dass er eine seltsame Beziehung zu uniformierten Polizisten hat.« Dann wies sie zum Küchentisch: »Bitte setzen Sie sich, ich bin gleich wieder da.«
Nachdem sie Gerald etwas beruhigen konnte und ihm den Fernseher angestellt hatte, kehrte sie in die Küche zurück und begann den beiden Polizisten zu schildern, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte.
Nachdem Anja geendet hatte, herrschte zunächst nachdenkliche Stille im Raum und nur das leise Ticken der Küchenuhr und das gedämpfte Geräusch des Fernsehers waren zu hören. Die junge Polizistin schien etwas sagen zu wollen, hielt es aber offenbar für besser, ihrem älteren Kollegen den Vortritt zu lassen. Dieser warf, wie so oft in den letzten Minuten, einen Blick auf Anjas dünne Bluse und sagte
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