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Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachtkalt: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Franley
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so konzentriert bist und dir diese eine Haarsträhne ins Gesicht fällt.« Anja brauchte zwei Sekunden, um das Gehörte zu begreifen, dann drehte sie sich hektisch zum Fenster und versuchte trotz der tief stehenden Sonne etwas zu erkennen. Doch wenn dieser Scheißtyp wirklich da draußen stand, war er in den tausend Schatten, die der Waldrand bildete, nicht zu erkennen. Das Gefühl beobachtet zu werden wurde mit jeder Sekunde unerträglicher. Ohne darauf zu achten, dass ihr Stuhl umfiel, stand sie auf und ging in den Flur, wo sie zumindest nicht mehr zu sehen war, dann erst fragte hörbar sauer: »Ist Ihnen wirklich so langweilig, dass Sie den ganzen Tag im Wald herumschleichen müssen?«
    Nun bekam seine Stimme wieder den Klang, auf den ihre Nackenhärchen reagierten. Er war zugleich einfühlsam und bedrohlich: »Schön, dass du langsam über mich nachdenkst, süße Anja. Siehst du, auf diese Weise entstehen Beziehungen.«
    »Sie können sich Ihre Beziehung sonst wohin stecken.« Dieses Mal begann sie nicht zu schreien. Anja hatte sich fest vorgenommen, keine Schwächen mehr zu zeigen, und außerdem waren ihr die Worte der Polizistin wieder eingefallen. Sie griff sich den Stift, der immer neben der Basisstation des Telefons lag und wartete auf die nächsten Worte, die nicht lange auf sich warten ließen. Mit immer noch süßer Stimme stellte der Mann fest: »Aber Anja, das war doch keine Bitte. Wenn ich eine Beziehung zu dir möchte, nehme ich mir diese. Glaubst du wirklich, dazu ist dein Einverständnis nötig? Noch führen wir eine Fernbeziehung, aber glaube mir, sehr bald schon werden wir uns nahe sein … sehr, sehr nahe.«
    Da war etwas im Klang seiner Stimme, das ihr vertraut vorkam. Nichts Persönliches, eher der Hauch eines Dialektes, den sie einmal auf dem Annafest gehört hatte. Mit kantigen Buchstaben notierte sie Bamberg auf dem Notizblock ihrer Mutter.
    »Bist du noch dran, süße Anja?«
    Anja konzentrierte sich wieder auf das Gespräch und antwortete: »Ja, aber ich werde jetzt auflegen!«
    »Ich sagte dir bereits, dass ich ab jetzt alles bestrafen werde, was du gegen meinen Willen tust«, beeilte sich der Mann zu sagen und fügte noch hinzu: »Und wenn du auflegst, ohne dass ich es will, wirst du mit einer Strafe rechnen müssen. Aber ich weiß ja, wie aufmüpfig du sein kannst. Hast du nicht sogar schon einmal fast einen Patienten getötet, weil du die Anweisung deines Oberarztes angezweifelt hast?«
    Erst zog sich Anjas Magen zusammen, dann kochte Wut in ihr hoch. Alles, was sie noch herausbrachte, war: »Leck mich, Arschloch.« Angewidert drückte sie ihn weg und schmiss das Telefon auf die Ladestation. Für einen Moment lang hasste sie sich selbst. Wieso schaffte es dieser Typ, sie immer wieder aus der Reserve zu locken? Eigentlich hätte sie Angst haben sollen, doch ihre Wut überdeckte diese und ließ sie zunächst keinen strategischen Gedanken fassen. Erst als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, fiel ihr auf, was an seiner Aussage nicht gestimmt hatte. Der Behandlungsfehler war zwar schon zwei Jahre her, und damals hatte sie tatsächlich ein falsches Medikament verabreicht. Was an seiner Aussage nicht stimmte, war die Tatsache, dass ihr damaliger Oberarzt es zwar als Notiz in ihrer Akte vermerkt, aber sonst niemanden darüber informiert hatte. Wer auch immer dieser Irre war, er musste irgendwie an die Studentenakte gelangt sein und diese wurde normalerweise unter Verschluss gehalten.
     
    Eigentlich wollte sie bis zum nächsten Tag warten, da es aber erst früher Nachmittag war, beschloss sie noch einmal nach Erlangen zu fahren. Sie sagte Gerald Bescheid, der es liebte, durch die Gegend zu fahren, und zog sich dann selbst noch etwas anderes an. Anschließend versicherte sie sich, dass wirklich jede Tür und jedes Fenster fest verschlossen war, dann verließen die beiden das Haus.
     
    Anja hatte Glück, es war nur ein Student vor ihr dran und sie erwischte eine der freundlicheren Damen in der Studentenverwaltung. Nachdem sie um ihre Akte gebeten hatte, verschwand diese in einem Nebenraum, kam aber bereits nach zwei Minuten wieder mit leeren Händen zurück und meinte: »Tut mir leid, die Akte ist im Moment nicht bei uns.«
    Wie so oft in den letzten Tagen spürte Anja, wie sich ihr Magen verkrampfte, trotzdem fragte sie gefasst: »Und wissen Sie, wo diese ist?«
    Das Lächeln der Angestellten wich einem gespielt empörten Gesichtsausdruck, dann sagte sie unangemessen ernst: »Nein, aber

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