Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
Ausführungen. Mike ließ sich tiefer in seinen Sessel sinken, hob die Hände hinter seinen Kopf und dachte eine Weile über das Gehörte nach. Anschließend holte er zwei weitere Flaschen Bier, stieß mit Tom an und fragte: »Und du glaubst, diese Anja Lange könnte etwas mit dieser toten Asiatin zu tun haben und in Gefahr sein?«
»Möglich wäre es«, bestätigte Tom. »Eigentlich wollte ich dir auch nur grob mitteilen, um was es geht, da ich Frau Lange deine Karte gegeben habe.«
Mike atmete hörbar aus: »Eigentlich habe ich mich von der Mordkommission verabschiedet, um von solchen Sachen wegzukommen. Allerdings könnte ich wirklich einen Auftrag brauchen, der Zustand meines Autos ist dir sicher nicht entgangen.«
Da Tom nicht recht wusste, was er darauf erwidern sollte, sage er schlicht: »Vielleicht ruft sie ja an.«
»Ja, vielleicht.« Auch Mike wollte nicht unbedingt weiter über seine finanzielle Lage reden und fragte stattdessen: »Wie kommst du mit deinem Fall voran?«
Tom antwortete ehrlich: »Überhaupt nicht. Außer einem Schuhabdruck und ein paar Stofffasern haben wir nichts. Sie wurde nicht vergewaltigt und hat nur sehr wenige Verletzungen. Sie ist eindeutig nicht durch direkte Fremdeinwirkung gestorben.«
Die beiden unterhielten sich noch eine Weile über den Fall und den neuesten Tratsch im Präsidium, was Mike immer noch kleine Stiche versetzte. Natürlich war er es, der den Job hingeworfen hatte, aber das hatte nichts mit dem Job selbst zu tun gehabt. Vielmehr fühlte er sich immer mehr wie ein Spielball der Obrigkeiten, denen ihre Machtpositionen wichtiger waren als Gerechtigkeit. Gegen 23 Uhr verabschiedete sich Tom. Mike telefonierte noch kurz mit Jenny, die für zwei Tage in Berlin bei dem Hersteller von Videospielen war, und ging dann ins Bett. Früher hätte er es nicht für möglich gehalten, doch er schlief tatsächlich ein, obwohl er nur zwei Bier getrunken hatte.
17
Menzel saß vor dem kleinen Haufen getragener Wäsche, nahm Stück für Stück in die Hand und drückte seine Nase hinein. Neben Schweiß, Deo und Rauch dominierte noch ein anderer Geruch, den er schon oft gerochen hatte. Sie musste kurz davor sein, ihre Tage zu bekommen, die süßliche Note ließ keinen Zweifel daran. Wütend warf er das letzte Kleidungsstück zurück auf den Haufen in Anjas ehemaligem Kinderzimmer. Trotz alldem, was er bisher arrangiert hatte – es fehlte ein entscheidendes Aroma, das er selbst als feinste Nuance gerochen hätte ... es fehlte der Geruch von Angst, der durch verschiedene Botenstoffe erzeugt wurde, die allerdings nur dann ausgeschüttet wurden, wenn das Gefühl stark genug war.
Er sog ein letztes Mal die Luft über dem Wäschehaufen ein, stieß einen fast dämonisch klingenden Schrei aus und verstreute die Kleidungsstücke mit einer wütenden Handbewegung im ganzen Zimmer. Dann sprang er auf die Beine und begann in dem kleinen Raum auf und ab zu laufen. Sein ureigener Dämon schrie nach Nahrung und er wusste, dass dieser mächtiger war als er selbst. Dieser Bestie war es egal, was D. sehen wollte, war es egal, dass es möglichst lange dauern sollte, und auch der Lohn für dieses Spiel konnte sie nicht stoppen. Kalter Schweiß rann ihm den Rücken hinunter und Zorn ließ seine Finger zur Faust verkrampfen. Er brauchte diesen Geruch, die Schreie, welche ihn meist begleiteten, und das unterwürfige Winseln seiner Opfer, wenn sie vor Angst urinierten ... er brauchte es, und zwar schnell. Ein weiterer Schrei verließ seine Kehle, bevor er seinen letzten Widerstand mobilisierte und das Zimmer verließ. Sein einzig noch klarer Gedanke war, dass er schleunigst dieses Haus verlassen musste, sonst würde er alles zunichtemachen. Er folgte der Treppe hinunter in den dunklen Flur, dann weiter in den Keller, wo er die Verkleidung des alten Sicherungskastens entfernte, um an seine eigene Technik zu kommen.
Nachdem er das Nötige getan hatte, stieg er wieder hinauf und wollte das Haus verlassen. In dem Moment, als er den Flur erreicht hatte, wurde von außen ein Schlüssel in das Schloss gesteckt und ihm blieb gerade noch genug Zeit, hinter die Kellertür zu schlüpfen. Dann ging auch schon das Licht an und Anjas Stimme sagte etwas Unverständliches zu ihrem Bruder. Es folgte das Schlagen der Haustür und Schritte kamen näher. Schwer atmend lehnte er sich gegen die geschlossene Kellertür. Sein Kampf hatte genau in dem Augenblick begonnen, in dem er ihre Stimme gehört hatte. Wie einfach wäre
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