Nachtkrieger: Ewige Begierde
»Erst gestern habe ich eine Nachricht erhalten. Der König ist in Leicestershire, genau in diesem Moment, und …«
»So nah?« Marians Miene hellte sich auf. »Dann
können
wir also rechtzeitig bei ihm sein.«
»Wenn Ihr mich ausreden ließet …«
Marian errötete. »Verzeiht, Lord Abt.«
»Was ich sagen wollte, ist nämlich, dass der König sich momentan in Leicestershire aufhält, aber in der Nachricht hieß es, er käme in den nächsten Tagen hierher nach Newstead. Wir sollen ein königliches …«
Abt Talebot verstummte, denn es bestand kein Grund mehr weiterzusprechen: Der Empfangsraum war leer. Kurz darauf hörte er Hufschlag auf der Straße verhallen. Lächelnd drehte er sich um und zog sich in seine Räume zurück. Wenigstens einmal schien es sich doch zu lohnen, den König zu beherbergen. Die nächste Woche versprach, äußerst interessant zu werden. Allerdings.
»Ich würde gern die Priorin sprechen«, wiederholte Ari.
Der Bedienstete, ein krummer alter Mann, der vor dem Feuer gesessen und Binsen geschält hatte, als Ari eintrat, hob hilflos die Hände. »Unterwegs nach Tuxford, Mylord. Ich soll Euch Grüße ausrichten und Euch sagen, dem Jungen ginge es schon viel besser und Ihr könntet ihn besuchen, sobald sie zurückgekehrt ist.«
Ari sah hinauf zum herrschaftlichen Gemach. Diese mysteriöse Priorin hatte ihn vor bereits fünf Tagen daraus verbannt, vermutlich, um zu gewährleisten, dass Robin sich ausruhte, nachdem seine Mandelentzündung sich verschlimmert hatte. Mit jedem Tag war Aris Unruhe gewachsen, und umso dringlicher versuchte er, eine Vision zu erhalten. Erst an diesem Morgen hatte er an dem Teich haltgemacht und einen weiteren Versuch unternommen, die Götter zu überzeugen, zu ihm zu sprechen, hatte so viel Blut vergossen, dass er noch immer benommen war. Für nichts und wieder nichts. Und was das Ganze noch sinnloser machte, war die Tatsache, dass wenn er nicht an dem Teich haltgemacht hätte, er die Priorin möglicherweise angetroffen hätte, bevor sie aufgebrochen war.
Ari murmelte ein paar Dankesworte, drehte sich um und wollte sich wieder auf den Weg machen. Doch als er mit der Hand die Tür berührte, verschwamm alles vor seinen Augen – wenngleich nur für einen kurzen Moment. Er wollte die Vision greifbar machen, aber sie verblasste und hinterließ lediglich das Gefühl einer Bedrohung, noch stärker als zuvor.
»Das wusste ich bereits«, murmelte er.
»Wie meintet Ihr, Mylord?«, fragte der alte Mann.
»Nichts. Ich werde nicht lange bleiben.« Ari drehte sich wieder um und rannte die Treppe hinauf, während der Alte ihm hinterherrief.
Robin lag auf der Pritsche, schlaff und blass, so bleich, dass man ihn für einen Schatten auf dem Leinentuch hätte halten können, wären da nicht die blutigen Binden um seine Arme gewesen. Blitzschnell schob Ari den Riegel vor die Tür und ging zu dem Jungen hinüber. »Robin. Robin. Wach auf!«
Langsam öffneten sich seine Augen. »
Monsire?
Ihr seid doch noch gekommen.«
»Was hat sie mit dir gemacht?« Ari wickelte die Binde um einen von Robins Armen ab und sah, dass sich dort drei parallel verlaufende Schnitte befanden, von denen einer noch immer stark blutete.
»Mich zur Ader gelassen.« Robin hob mühsam den Kopf. »Ich sagte ihr, sie solle aufhören, aber sie hat gesagt, mein Blut sei vergiftet.«
»Unsinn! Du hattest eine Mandelentzündung, mehr nicht. Das reicht jetzt. Ich muss dich hier herausholen, bevor diese alte Närrin dich umbringt.«
Er schlug die Decken zurück und untersuchte Robins Bein. Die Schwellung war vollständig zurückgegangen, und der Knochen schien glatt zusammengewachsen. »Sieht aus, als würde es dein Gewicht tragen. Hast du schon versucht, ein paar Schritte zu gehen?«
Robin schüttelte den Kopf. »Ich dachte, das könnte ich erst, wenn ich wieder kräftig genug bin.«
»Nun wirst du es müssen. Komm! Sehen wir zu, dass wir dich auf die Beine kriegen. Setz dich erst einmal hin.«
Als Robin, wackelig wie ein Kleinkind, auf der Bettkante saß, klopfte jemand an die Tür. »Heh! Was habt Ihr dort drinnen zu suchen? Der Junge ist krank, lasst ihn in Ruhe!«
»Moment«, rief Ari. Er kniete sich vor Robin. »Hör mir gut zu. Wenn es sein muss, kann ich dich hier raustragen, aber diese wahnsinnige Nonne hat ihren Leuten gesagt, du wärst krank und müsstest hierbleiben. Deshalb werden sie versuchen, uns aufzuhalten, es sei denn, du schaffst es, auch den Letzten von ihnen davon zu
Weitere Kostenlose Bücher