Nachtkrieger: Ewige Begierde
aus und sah zu, wie die Ochsen sich unter lautem Räderknarren und Peitschenknallen in Bewegung setzten. Dann wendete er sein Pony und ritt hinter ihnen her.
Robert winkte ihnen nach, ging hinüber zu Matilda und stellte sich hinter sie. »Was machst du da?«
»Beten, Cousin«, antwortete sie. »Knie dich neben mich.«
»Aber wir sind doch gar keine …«
»Noch sind sie nicht außer Sichtweite. Also knie dich hin!«
»Manchmal bist du mir unheimlich, Maud. Es fällt dir viel zu leicht zu lügen.«
»Marian. Verdammt noch mal, Robin, knie dich hin!«
Er tat, was sie verlangte, doch er schien sich nicht wohl dabei zu fühlen. »Es kommt mir vor wie eine Sünde, vorzugeben zu beten, und dazu an einer der heiligen Jungfrau geweihten Quelle.«
»Dann tu nicht nur so. Es ist ohnehin Zeit für ein Dankgebet, weil Lord Matthew und seine Lady so gütig zu uns waren.«
»Aye, das ist wahr«, sagte Robert in fröhlicherem Ton. Er bekreuzigte sich, schloss die Augen, und als er die Lippen bewegte, tat Matilda es ihm nach. Das Rumpeln der Ochsenkarren wurde leiser, während die beiden beteten, und als Matilda sich bekreuzigte und aufstand, verschwand der letzte Karren hinter der Biegung.
»Ich möchte nie wieder auf einem Ochsenkarren reisen«, sagte sie entschlossen.
»Amen«, murmelte Robert hastig. Er bekreuzigte sich und stand auf, um sich zu ihr zu gesellen. »Du hättest doch hinter mir auf dem Pferd sitzen können.«
»Das wäre auch nicht schneller gegangen. Wir wären zwei Tage eher hier gewesen, wenn wir uns allein auf den Weg gemacht hätten.«
»Wenn wir das getan hätten, wären wir vielleicht überhaupt nicht hier«, gab Robert zu bedenken, obwohl sich unterwegs keinerlei Schwierigkeiten abgezeichnet hatten. »Aber wie auch immer, nun
sind
wir hier. Ich habe noch keine Krone entdeckt. Hast du eine Vermutung, wo sie sein könnte?«
Matilda drehte sich langsam im Kreis und sah sich die Lichtung um die Quelle herum genau an, auf der Suche nach etwas, was nach dem Zeichen aussah, das sie finden mussten. Ohne Resultat.
»Vielleicht sollten wir uns das Rätsel noch einmal ansehen.« Robert zog das gefaltete Stück Pergament aus seinem Pilgerbeutel. Er legte es auf seinen Oberschenkel und strich es glatt, bevor er es Matilda reichte. »Hier. Lies vor.«
»Oh, gut.« Sie hatten sich so oft den Kopf wegen dieses Stücks Pergament zerbrochen, dass eigentlich keiner von ihnen es sich noch einmal hätte ansehen müssen, aber Matilda nahm es trotzdem entgegen und las sich die schwungvolle, aber schwer zu entziffernde Handschrift ihres Vaters abermals durch. »Dort steht, ›Geradewegs auf die Ländereien der Abtei zu, wo die Liebe Frau den Frühling entspringen lässt. In der Krone des Königs der Wälder werdet ihr finden, wofür ihr betet.‹ Die Liebe Frau ist natürlich Unsere Liebe Frau, die Jungfrau Maria, und Mariä Verkündigung ist im Frühling. Damit will er uns eindeutig sagen, dass die Jungfrau Maria eine Quelle hat ausbrechen lassen. Eine Marienquelle. So viel ist schon einmal klar.«
»Aber es gibt so viele der Jungfrau Maria geweihte Quellen und Brunnen, und viele davon auf den Ländereien der Kirche. Warum bist du dir so sicher, dass er genau diese hier meint?«
Hundertmal schon waren sie all das durchgegangen – dass Papa die Nonnen von Kirklees unterstützt hatte, die Tatsache, dass er nahezu im gleichen Atemzug mit der Enthüllung seines sonderbaren Ansinnens die Äbtissin Humberga erwähnte, sein ungewöhnlicher Gebrauch des Englischen anstelle seines üblichen Französisch, um Wortspiele verwenden zu können – doch Robert zweifelte nach wie vor daran. Kein Wunder, Matilda war sich ja selbst nicht sicher. Aber sie konnte nicht aufgeben, und sie konnte nicht zulassen, dass Robert aufgab. Sie schlang die Arme um seine Taille und lehnte ihren Kopf an seine knochige Schulter. »Ihm war doch daran gelegen, dass wir es finden, Robin. Also hätte er kein unlösbares Rätsel hinterlassen.«
Robin stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Lediglich unlösbar für mich.«
»Aber nicht für uns beide.«
»Für dich war das Rätsel doch gar nicht bestimmt. Warum hilfst du mir überhaupt dabei?«, fragte er, als sei ihm dieser Gedanke gerade erst gekommen.
»Weil ich dich liebe, du dummer Junge.« Sie tätschelte ihm flüchtig die Wange. »Und weil ich mir gleichermaßen selbst damit helfe. Nun komm. Irgendetwas müssen wir übersehen haben.« Sie zerrte ihn auf die Mitte der Lichtung. »Sieh
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