Nachtkrieger: Ewige Begierde
breiten Schultern bahnte er einen Weg durch die Menge, so dass sie leicht folgen konnte, ebenso wie sich sein hochgewachsenes Pferd vor Tagen einen Weg durch das Unterholz gebahnt hatte, so dass die kleine Stute mühelos hatte folgen können. Matilda brauchte nichts weiter zu tun, als dicht hinter ihm zu bleiben und Ausschau nach den anderen Zeichen ihres Hinweises zu halten.
Als sie den großen Platz in der Mitte der Stadt erreichten, blieb Steinarr wie angewurzelt stehen und starrte mit offenem Mund über die Wiese hinweg auf das riesige Münster, das vor ihnen stand. Matilda konnte sein ehrfürchtiges Staunen verstehen. Insgesamt erstreckten sich Chor und Kirchenschiff über mindestens hundert Schritte, und die beiden quadratischen Türme mit ihren silbrigen Turmhelmen ragten so hoch auf, wie sie es bei noch keiner anderen Kirche gesehen hatte, abgesehen von der Abteikirche in London.
»Habt Ihr sie zuvor noch nie gesehen, Mylord? Demnach, was Ihr sagtet, dachte ich, Ihr wärt schon einmal hier gewesen.«
»Ich bin einmal hier vorbeigekommen, aber ich war nie in der Stadt, um mir den Bau aus der Nähe anzusehen. Eine gewaltige Halle, selbst für eines von euren … Selbst für eine Kirche«, brachte er den Satz zu Ende.
»Das Innere muss prachtvoll sein. Sollen wir es uns ansehen?«
Er zögerte, dann schüttelte er den Kopf. »Baldwin könnte dort sein, um zu beten. Ich möchte nicht, dass du dort drinnen trotz deiner Verkleidung erwischt wirst.«
»Aye, das wäre schlecht. Denn es wäre direkt ein Priester vor Ort, der uns sogleich verheiraten könnte.«
Sein Seufzer war kaum hörbar, aber sein Zorn erschütterte ihren Schädel wie ein Erdbeben. »Lass uns diesen Erzbischof und seine Finkenvögel suchen und sehen, was er uns zu sagen hat.«
Es war nicht sonderlich schwierig, die feingemeißelte Statue in der Ecke des Friedhofs neben dem Münster zu finden. Zu Matildas Überraschung sah sie ganz und gar nicht aus wie die Schachfigur, sondern wie das schlichte Abbild eines Geistlichen mit Mitra und Bischofsstab, skulpiert in einem alten Stil. Doch obwohl die Statue allmählich sichtbare Spuren ihres Alters zeigte, waren die anmutigen Finken zu Füßen des Bischofs deutlich skulpiert.
Nachdem eine Gruppe Pilger zur Seite gegangen war, entdeckte Steinarr sogleich den Finken, der auf ihrem Tüchlein dargestellt war. Verwundert legte er die Stirn in Falten. »Da ist ein Pfeil eingeritzt.«
»Merkwürdig.« Matilda ging mehrmals um die Statue herum, auf der Suche nach weiteren Hinweisen. Ein schwarzer Grabstein ganz in der Nähe stach ihr plötzlich ins Auge, und sie lief hinüber. »Eine Ecke ist abgebrochen, Mylord.«
Steinarr ging zu ihr, als sie den schwarzen Splitter aus dem Beutel fischte und an die Bruchstelle hielt, eines Steins zum Gedenkan an eine Frau mit Namen Petronilla.
»Das ist der Name von Robins Mutter«, rief Matilda.
»Ich dachte, sie war aus Kent.«
»Das war sie auch. Ist sie noch. Sie kann hier nicht begraben sein, sie lebt nämlich noch. Aber es ist derselbe Name.«
»Und hier ist noch ein Pfeil.« Steinarr zeigte auf ein paar feine Linien, die Matilda zunächst für Kratzer gehalten hatte. Aber nun sah sie, dass sie in Verbindung mit ähnlichen Linien auf dem Grabstein einen Pfeil und Bogen darstellten. »Und nun die Hand.«
Was länger dauern sollte. Sie gingen an den Grabsteinen und Grabmälern entlang und suchten nach einer Abbildung oder einer Statue. Matilda war es schließlich, der eine kleine Nische auffiel, die in eine Mauer hineingehauen war, halb verborgen hinter Gebüsch. Darin befand sich die Statue einer Edelfrau, die die Arme ausstreckte und eine ihrer behandschuhten Hände genauso hielt wie die geschnitzte, abgesehen davon, dass sie Pfeil und Bogen hielt.
»Drei Pfeile. Das hat ganz sicher etwas zu bedeuten. Vielleicht …« Steinarr ging einen Schritt zurück und folgte mit den Augen dem Pfeil der Edelfrau. »Sieh nach, in welche Richtung der Pfeil auf dem Grabstein zeigt.«
Matilda tat sofort wie geheißen. »Seine Flugbahn kreuzt die Bahn des Pfeils der Lady, Mylord.«
Steinarr streckte den Arm aus und visierte die Finken zu Füßen des Erzbischofs an. Er ging rückwärts bis zu der Stelle, wo die drei Flugbahnen zusammenliefen. »Sie treffen sich genau … hier.«
Hier
war ein weiterer Grabstein, der Gedenkstein eines reichen Mannes, fast schulterhoch und kunstvoll behauen mit Blättern und Ranken. Matilda stellte sich neben Steinarr und las den Namen
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