Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Fensterläden, das sich mit dem Schnarchen ihrer Cousine mischte. Aber die Tatsache, dass Wind und Schnarchen so laut waren, hatte wenig damit zu tun, dass sie noch kein Auge zugemacht hatte – schuld war die Erinnerung an Gunnars muskulöse Arme, wie sie ihre Brüste gestreift hatten.
Das wiederum war keineswegs sein Fehler gewesen. Denn wie sie ihm zugutehalten musste, hatte er nichts gesagt oder getan, was ihr Vater als unpassend hätte werten können. Er war so standhaft und so unbeteiligt geblieben, dass sie sich zwischendurch hatte fragen müssen, ob er ihr Verhalten überhaupt zur Kenntnis nahm. Dann aber hatte sie gesehen, dass er sich die schweißnassen Hände an den Schenkeln abgewischt hatte, und sie hatte einen verstohlenen Blick von ihm aufgefangen, den er einfach nicht hatte verbergen können – und da wusste sie, sie hatte so gut wie gewonnen.
Er wollte sie.
Warum auch nicht? Sie war jung und hübsch – manche behaupteten sogar, anmutig –, und sie wusste genau, was sie zu tun hatte, dank zu vieler Jahre, in denen sie beobachtet hatte, wie Damen und Ritter das Spiel der Liebe spielten, während sie auf Richard hatte warten müssen. Sie hatte gewollt, dass Gunnar sie begehrte, und sie hatte ihr Ziel erreicht.
»Gunnar.« Lautlos sprach sie seinen Namen in die Nacht hinein, um den fremden Klang zum tausendsten Mal auf ihrer Zunge zu spüren.
Sir Gunnar wollte sie.
Und sie wollte ihn. Das hatte sie zuvor gar nicht so recht bedacht: dass, wenn sie ihn verführte, sie gleichermaßen derselben Versuchung unterlag. Sich an ihn zu schmiegen hatte eine wesentlich größere Wirkung entfacht, als sie sich je hätte träumen lassen – ein Gefühl der Lust, das sich wie Feuer von ihren Brüsten bis zu ihrem Bauch ausbreitete und so heiß brannte, bis sie an nichts anderes mehr denken konnte.
Sie wollte Gunnar.
Sie wollte ihn so sehr, dass ihr ganzer Körper in Aufruhr geraten war und es ihr unmöglich schien, einzuschlafen. Wenn sie doch nur hätte aufstehen und etwas tun können – nähen, lesen, irgendetwas –, dann wäre sie vielleicht in der Lage gewesen, sich abzulenken. Doch was hätte sie mitten in der Nacht schon unternehmen können? Wenn sie nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen könnte, vielleicht würde sie dann …
Nein, das schien töricht. Aber sie konnte den Gedanken nicht mehr verdrängen. Er hatte sich in ihrem Unterleib festgesetzt wie ein selbstverständliches Hungergefühl, das nach Sättigung verlangte. Nur ein Vorgeschmack. Nur für einen kurzen Moment. Solange sie es ertragen konnte, lag sie dort und kämpfte gegen ihr Verlangen, dann kroch sie leise aus dem Bett. Lucy murmelte vor sich hin und drehte sich auf die andere Seite – und sogleich erstarrte Eleanor, mit einem Fuß bereits auf dem Boden. Sie wartete, bis das leise Schnarchen ihrer Cousine ein wenig lauter wurde, dann erst rührte sie sich wieder. Lautlos wie der Flügelschlag einer Eule, fand sie ihre Pantoffeln und ihren Umhang. Dann nahm sie sich aus dem Korb einen Kerzenstummel, entzündete ihn an der Talglampe und schlich sich hinaus durch die nur einen Spaltbreit geöffnete Tür.
Ihr kleines Flämmchen warf einen Lichtkreis um sie herum und ließ das Ende des Gangs im Dunkeln liegen. Sie zögerte, denn sie wusste: Was sie tat, war eigentlich nicht rechtens. Aber sie hoffte, dass, wenn sie ihn nur für einen Augenblick sah, sie endlich in der Lage wäre, einzuschlafen. Vorsichtig, um kein Geräusch zu verursachen, das an den steinernen Wänden hätte widerhallen können, ging sie weiter und betrat das dunkle Familienzimmer, wo sie sich vor das Holzgitter stellte, von dem aus man in die Halle sehen konnte.
Er war als Einziger noch wach, eine einsame Gestalt, die vor dem Feuer saß und in die Flammen starrte. Er hatte gesagt, er habe einen unruhigen Schlaf, doch als sie sah, wie seine Finger ein Stück Seil bearbeiteten, es knoteten und aufschnürten wie die Seemänner, die auf den Schiffen ihres Vaters arbeiteten, kam ihr der Gedanke, dass seine Schlaflosigkeit in dieser Nacht möglicherweise die gleiche Ursache hatte wie ihre eigene.
Nach einer Weile legte er das Seil weg und streckte seine langen Beine zu der Feuerstelle aus, beinahe so, wie er es an jenem Abend auf Richmond getan hatte. Bei diesem Anblick musste Eleanor lächeln. Mittlerweile konnte sie sich gar nicht mehr daran erinnern, was sie damals an diesem ersten Abend dazu gebracht hatte, zu ihm zu gehen, ob es lediglich aus einer
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