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Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Hendrix
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sich, welchen Teil Englands er wohl gerade durchstreifte. Wenn er, Gunnar, Eleanor erst einmal für sich gewonnen hatte, würde er Jafri losschicken, um Ari und Brand aufzustöbern, und die erlebten Visionen des Skalden für die Suche nach seinem Amulett heranzuziehen.
    Dann würde er das Amulett in Eleanors Hände legen und sie dazu bringen zu sagen, dass sie ihn liebte, und er wäre frei. Frei. Der Gedanke an ein Leben, das wirklich ein Leben wäre, und an den Tod, der es richtig beenden würde, schien süß wie Honigwein.
    Als er sich wieder auf die Gegenwart konzentrierte, war der Erzähler bereits mit seinen Geschichten fortgefahren und erzählte vom Umgang der Götter des Olymps mit ihren sterblichen Untertanen, der, wie Gunnar feststellte, gar nicht so anders war als das Verhalten der Götter von Asgard. Offenbar hatten die griechischen Götter jedoch mehr Gefallen daran gefunden, es mit anderen zu treiben – besonders Zeus und dieser Gott namens Eros, denn die beiden machten sogar mehr als Odin von ihrem Recht Gebrauch, sich jede Frau zu nehmen, die ihnen gefiel. Für einen Mönch schien der alte Carolus an Geschichten dieser Art ganz besonders Spaß zu haben, denn kaum war eine zu Ende, erzählte er auch schon die nächste.
    »Eines Tages erblickte Zeus unter all den Frauen, die im Meer badeten, ein besonders hübsches Mädchen«, setzte er seine Erzählung fort. »Es war Europa, die jüngste Tochter des Königs von Tyros, und der Anblick ihrer zarten Haut und ihres blonden Haars ließ Zeus für sie entflammen, bis er sich nicht länger beherrschen konnte. Er wollte dieses Mädchen mehr als alle anderen, aber sie war stets von ihren Dienerinnen umgeben. So nutzte Zeus seine besonderen Kräfte und verwandelte sich in einen großen Stier …«
    Gunnar begann zu frieren, die Kälte ging ihm bis auf die Knochen, verlangsamte den Schlag seines Herzens und füllte seine Arme und Beine mit Blei. Lauf!, schrie eine Stimme hinter seinen Schläfen, aber er war unfähig, sich zu bewegen. Um ihn herum lauschten alle mit gespannter Aufmerksamkeit dem Erzähler, Gunnar hingegen erstarrte angesichts der Worte des Mönchs. Er hatte Mühe zu atmen und flehte im Stillen: Odin, hilf mir! Er wird mich verraten.
    »Und in Gestalt des Stiers näherte sich Zeus der schönen Europa. Ihre Dienerinnen liefen angsterfüllt davon, um sich im Wald zu verstecken. Europa aber war ganz gefangen genommen von der Schönheit des großen Tiers und blieb stehen. Der Stier tat ihr nichts, sondern ließ sich Stirn und Brustkorb von ihr streicheln. Verzaubert von der Sanftheit und Anmut des Tiers, flocht Europa einen Kranz aus Blumen und Lorbeerblättern und legte ihn über die Hörner des Stiers. Aus dem Wald riefen ihre Dienerinnen, sie solle ebenfalls Zuflucht suchen, um nicht zertrampelt oder durchbohrt zu werden. Der Stier jedoch kniete vor ihr nieder und ließ sie mit einem Lächeln auf den Lippen seinen Rücken erklimmen.«
    »Das ist die Geschichte, die auf meiner Haarnadel abgebildet ist!« Aufgeregt drehte sich Eleanor zu ihrem Nachbarn um. »Ich habe eine silberne Haarnadel mit einer Dame auf einem Stier. Aber die Geschichte dazu hatte ich noch nie gehört.«
    Ihre Stimme, so anders als die des Alten, riss Gunnar aus seiner Benommenheit. Er schluckte schwer, und das Blei in seinen Gliedern begann zu schmelzen.
    »Dann ist es umso besser, dass man sie Euch endlich erzählt, Mylady«, sagte Carolus. »Es ist eine bedeutungsvolle Geschichte, und Ihr werdet gleich verstehen, warum. Nachdem der Stier Europa auf den Rücken genommen hatte, stürzte er sich in die Wellen und trug sie fort über das Meer zu einer schönen Insel, die Kreta hieß. Dort gab er sich zu erkennen, verführte das Mädchen und vergnügte sich mit ihr. Als er fertig mit ihr war und sie ein Kind erwartete, verließ er sie, um auf seinen Thron auf dem Olymp zurückzukehren. Aber als Belohnung, weil sie die schönste und lieblichste seiner Geliebten war, gab Zeus sie dem König von Kreta zur Frau. So wurde sie Königin und zur Mutter des gesamten Westens, und deshalb nennen wir heute das gesamte Gebiet des Heiligen Römischen Reiches nach ihr: Europa.«
    »Sie wurde also für ihre mangelnde Keuschheit belohnt?«, fragte Lady Anne, schnippisch wie immer. Sie warf einen Blick zu Eleanor.
    »Sonderbar, ich weiß«, sagte Carolus. »Aber die Menschen der Antike standen solchen Dingen anders gegenüber. Und ich komme nicht umhin, mich zu fragen, was Ihr tätet, meine Damen,

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