Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
hinunter- und durch den Gang zu ihrem Zimmer zerrte, irgendetwas zu bedeuten hatte, war Westmorland nun noch wütender als auf dem Weg den Turm hinauf. Eleanor vergegenwärtigte sich rasch, was sie ihrer Mutter erzählt hatte, doch ihr fiel nichts ein, was er daran hätte aussetzen können. Vielleicht wäre es das Beste, ein wenig zu Kreuze zu kriechen. Er mochte es, wenn man vor ihm zu Kreuze kroch. Das hatte sich für sie bereits mehrmals als Rettung erwiesen.
Als sie vor ihrer Schlafkammer standen, stieß er die Tür mit solcher Wucht auf, dass sie gegen die Wand krachte.
»Lucy, sagt Bertrand, er soll heute Nacht zwei Männer vor der Tür postieren! Und wenn ich hier fertig bin, macht Eure Lady reisefertig!«
Lucy riss die Augen auf. »Mylord?«
»Sobald es hell wird, wird sie nach Burwash reisen.«
Burwash. Richard. »Nein!« Eleanor schoss auf ihren Vater zu und packte ihn am Ärmel. »Oh, nein, Mylord, bitte! Er hat nicht einmal nach mir schicken lassen. Er will mich ebenso wenig wie ich ihn.«
Er schüttelte sie ab und schnauzte Lucy an: »Habt Ihr nicht gehört, was ich gesagt habe?«
»Aber natürlich, Mylord.« Lucy schoss zur Tür hinaus. Bevor sie drei Schritte Richtung Halle gemacht hatte, packte Westmorland seine Tochter, schob sie hinein in das Zimmer, schlug die Tür zu und legte den Riegel vor. Lucy hatte den Raum hell erleuchtet, und im Schein der Kerzen leuchtete sein eisiger Blick aus den zusammengekniffenen Augen und der vor Zorn weiße Ring um seinen Mund.
Sein Schweigen war nicht nur Ärger, es war Wut. Blinde, rasende, kaum noch zu bezähmende Wut. Was auch immer der Grund dafür war, Eleanor sah ein, dass ihre einzige Chance darin lag, ihren Vater zu beschwichtigen.
»Es tut mir leid, dass meine Torheit so viele Unannehmlichkeiten verursacht hat, Mylord. Und ich bin sehr dankbar, dass Ihr mich gefunden habt. Hättet Ihr nicht …«
»Sei still!«
»Aber ich wollte doch nur sagen …«
Er gab ihr eine Ohrfeige mit dem Handrücken, so schnell, dass sie es nicht hatte kommen sehen. Ihr drehte sich alles. Sie hielt sich die Wange und sah ihn aus tränennassen Augen an. »Was habe ich denn …«
»War es Sir Gunnar?«
Oh, heilige Mutter Gottes! Panik ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren und lähmte ihre Zunge. Ein Teil von ihr – der Teil, der in Panik geriet – wollte herausschreien, dass Gunnar in zwei Tagen kommen würde, weil er sie heiraten wollte. Aber der andere Teil – der Teil, dem der Zorn ihres Vaters nur allzu gut bekannt war – musste einsehen, dass eine solche Ankündigung alles nur noch schlimmer gemacht hätte. »Ich weiß nicht, was …«
Er gab ihr eine weitere Ohrfeige, noch fester. Taumelnd stolperte sie gegen die Wand und glitt, daran gelehnt, halb nach unten auf den Boden. Westmorland packte sie an den Haaren und zerrte sie hoch, ohne ihren Schmerzensschrei zu beachten. Er schnupperte an ihrem Nacken, zog hörbar die Luft durch die Nase ein. »Ich konnte ihn schon in dem Moment an dir riechen, als ich dich auf mein Pferd setzte. Du stinkst nach seinem Samen, selbst jetzt noch.«
Sie versuchte, durch den Nebel des Schmerzes hindurch, einen klaren Gedanken zu fassen, und hielt an der Geschichte fest, die Gunnar ihr eingeschärft hatte. »Sir Gunnar ist schon vor Tagesanbruch nach Durham aufgebrochen. Ich schwöre, Mylord, ich habe nicht …«
Zum dritten Mal gab er ihr eine Ohrfeige, einen brutalen Schlag, der etwas in ihrer Nase knacken ließ wie einen trockenen Zweig. Dann ließ er Eleanor fallen, als ihre Beine nachgaben. »Wag es nicht, mich zu belügen! Wir brauchen lediglich eine Hebamme zu fragen, um zu beweisen, dass jemand dich heute Nacht bestiegen hat.«
Er baute sich vor ihr auf, mit wutverzerrtem Gesicht. »Du wirst bei Tagesanbruch nach Clementhorpe aufbrechen und dort bei den heiligen Schwestern bleiben, bis die Hochzeit arrangiert ist. Sollte Sir Gunnar dir folgen, solltest du versuchen fortzulaufen, sollte er etwas tun, um die Hochzeit zu verhindern, oder solltest du dich Richard verweigern, am Altar oder später im Bett, dann werde ich deinem Ritter vor deinen Augen seine eigenen Eier zum Fraß vorwerfen. Und danach wird er langsam hängen, mit einem Feuer unter seinen Füßen.«
… und auch das würde auf ewig weitergehen …
Die Welt um sie herum drehte sich, und sie erbrach sich vor den Füßen ihres Vaters. Sie spuckte und wischte sich den Mund an ihrem Ärmel ab. Ihre aufgeplatzte Lippe färbte das weiße Leinen
Weitere Kostenlose Bücher