Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
noch ein Stück von dem Schinken ab, den Ari unterwegs besorgt hatte, und reichte es Gunnar. Dann schnitt er ein Stück für sich selbst ab. »Außerdem sind die Tatzen des Bären kein Problem mehr. Wir haben jetzt einen Karren.« Brands Gesichtszüge spannten sich ein wenig an, als er hinzufügte: »Einen mit Gitterstäben.«
Gunnar erstarrte, den Bissen Schinken noch in der Hand. »Einen Käfig? So ein Mist, Brand!«
»Kein Mitleid!«, befahl Brand. »War meine Idee. Und ich benutze ihn bereitwillig, wenn auch nicht gern. Dadurch haben wir die Möglichkeit, Orte aufzusuchen, die wir bislang meiden mussten. Die Leute denken, der Bär wäre irgendwo für die Bärenhatz gefangen worden, und wir können näher an die Menschen heran, ohne jemanden in Gefahr zu bringen. So bleiben uns mehr Stunden für unsere Arbeit, und wir sparen eine Menge Zeit, weil wir nicht ständig hin- und herreiten müssen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Gunnar. Die Gefährten hatten schon recht früh gelernt, sich so weit wie möglich voneinander fernzuhalten, wenn die Sonne auf- oder unterging. Diejenigen, die zu einem Raubtier wurden, entfernten sich vor jeder Wandlung mindestens eine Meile zu Fuß, um zu vermeiden, dass sie die Gefährten oder ihre eigenen Pferde verletzten. Wenn dies nicht mehr nötig war, würde man jeden Tag einige Stunden an Zeit sparen. »Aber trotzdem … ein Käfig.«
»Aye, ein Käfig.« Brand kaute auf einem Bissen Schinken, dann grinste er. »Aber jeden Morgen, wenn ich hinter mir den Schlüssel herumdrehe, denke ich daran, dass Ari den Tag als Fuhrmann verbringen muss, und nicht als Ritter standesgemäß reiten kann.«
»Das macht es wohl erträglich«, stimmte Gunnar zu und lächelte zum ersten Mal seit langem. Ein halbes Lächeln, so hatte sie es genannt, und er musste eine Faust machen, um sich davon abzuhalten, seine Mundwinkel zu betasten. »Wo ist dieser Karren? Ihr hattet ihn damals nicht bei euch.«
»Wir haben ihn in Easington stehen lassen. Es schien mir ziemlich sinnlos, ihn hierherzubringen, bevor wir nicht sicher waren, dass ihr hier wart. Ich habe ihn geholt, nachdem ihr euch auf den Weg gemacht hattet. Deshalb ist Jafri unversehrt, und dem Stier wird auch nichts geschehen.«
»Wie hast du es geschafft, ihn hierherzukarren?«
»Vom Strand aus. Ich habe nicht den ganzen Weg geschafft, deshalb steht er hinter der unteren Höhle, aber es ist nah genug. Also, kommst du nun mit uns?«
»Ich weiß nicht …«
»Es ist doch eine gute Idee. Der Stier wird die Geschichte von der Bärenhatz noch glaubhafter erscheinen lassen.«
»Wohin würden wir denn gehen?«
»Lancashire, östlich von Morecambe. Auf dem Weg in den Norden hatte Ari eine Vision. Finstere Angelegenheiten, hat er gesagt. Ich will wissen, ob es mit Cwen zu tun hat.«
»In Lancashire ist der Wolf nicht mehr sicher«, sagte Gunnar. »Dort wird zu viel gejagt. Wir müssen uns weiter nördlich aufhalten.«
»Dann zieh du mit Brand weiter, und ich bleibe hier bei Jafri«, schlug Torvald vor.
Gunnar warf ihm einen Seitenblick zu. »So gern mochte er dich eigentlich nie, weißt du.«
Torvald musste lachen. »Wir werden uns ohnehin nicht begegnen.«
»Stimmt allerdings.«
»Komm mit Ari und mir!«, drängte Brand. »Du brauchst Gesellschaft, und ich auch. Ich habe genug davon, dass Torvald lebt wie ein Mönch. Jemand, der etwas mehr redet, wäre eine schöne Abwechslung. Jemand, der trinkt, erst recht.«
»Das tut Gunnar.«
Der Gedanke, mehr Zeit mit einem Freund zu verbringen, schien Gunnar verlockend. Ob er nun lebte wie ein Mönch oder nicht, es war schön gewesen, die vergangenen Wochen mit Torvald zu verbringen. Und mit Brand hatte ihn schon immer eine noch herzlichere Freundschaft verbunden. Letzten Endes aber schüttelte Gunnar den Kopf. »Ich bin für Jafri verantwortlich.«
»Das konnte ich noch nie verstehen«, sagte Brand. »Kolla hat dich gedemütigt, und du bestehst darauf, dich um ihren Bruder zu kümmern.«
»Er wurde auch mein Bruder, als ich sie heiratete. Daran hat sich auch nichts geändert, als sie ging. Außerdem mag ich ihn, besser gesagt, mochte ihn, als ich mich das letzte Mal mit ihm unterhalten habe. Wir werden vorerst in die Hügel entlang der Marken ziehen, vielleicht sogar bis nach Schottland. Dorthin, wo auch immer wir viel und dichten Wald finden ohne allzu viele Jäger.«
»Schottland wird dir nicht gefallen«, prophezeite Torvald.
»Nichts an dieser verfluchten Insel gefällt mir«,
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