Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
endgültig an ihre Grenzen getrieben. Das war definitiv ein Scheißtag. Erst Michelle und jetzt Jerry, wobei Jerry eigentlich vor Michelle zugeschlagen hatte, auch wenn sie es erst jetzt gemerkt hatte. Sie hatte ihn seit Mittwoch nicht mehr gesehen. Also seit zwei Tagen. Bestimmt war er sofort abgetaucht, weil er befürchten musste, dass sie ihn bei den Bullen anzeigte.
Doch das würde sie nicht. Er konnte das Geld behalten. Damit war das Ende besiegelt. Seit sie erfahren hatte, dass sie im Lotto gewonnen hatte, hatte sie sich gefragt, wie teuer sie dieser Gewinn zu stehen kommen würde, und jetzt wusste sie es: rund siebenundzwanzigtausendvierhundert Dollar.
Ausgepumpt und erschöpft saß sie in ihrer stillen Wohnung, als ihr plötzlich ein Licht aufging. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass der Lottogewinn ihr Leben verändern würde und dass einige dieser Veränderungen schmerzhaft sein würden - sie hatte nur nicht geahnt, dass ihr altes Leben komplett ausgelöscht würde.
Zweiter Teil
Glücklos
6
Sieben Jahre später
»Da ist etwas im Gange«, warnte die vertraute Stimme in Cael Traylors abhörsicherem, verschlüsseltem Handy.
Cael konnte der Stimme Namen und Gesicht zuordnen; darauf hatte er großen Wert gelegt. Um herauszufinden, was er wissen wollte, hatte er durchs ganze Land fahren müssen, aber im Auto geriet er, anders als bei einem Flug, nicht auf den Radarschirm. Sobald sein Name auf irgendeiner Passagierliste auftauchte, würden gewisse Elemente in der Regierung davon erfahren. Nicht das Heimatschutzministerium, auch nicht das State Department, aber gewisse Kreise, die sogenannte »verdeckte Operationen« leiteten, so wie der Mann am Telefon.
»Details«, befahl er knapp, nachdem er den Fernseher ausgeschaltet und sich vom Computer weggedreht hatte, um nicht abgelenkt zu werden. Er machte sich keine Notizen; jedes Schriftstück konnte möglicherweise zu ihm zurückverfolgt werden und ihn den Kopf kosten. Er traf verschiedene Vorsichtsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass er im Zweifelsfall nicht im Regen stehen gelassen wurde, aber Notizen gehörten nicht dazu.
»Wir haben Funksprüche der Nordkoreaner abgefangen, die darauf schließen lassen, dass sie eine Quelle für eine Technologie aufgetan haben, die wir lieber nicht in ihren Händen sehen würden.«
Cael fragte nicht, um welche Technologie es ging - jedenfalls nicht gleich. Vorerst brauchte er das nicht zu wissen. Falls er irgendwann zu dem Schluss kam, dass er es doch wissen musste, würde er erst weiterarbeiten, nachdem er die Information bekommen hatte. »Und wer ist diese Quelle?«
»Frank Larkin.«
Caels Interesse war sofort geweckt. Larkin war ein Multimillionär und galt wegen seiner vielen Freunde und hochrangigen Kontakte als graue Eminenz in Washington, D.C. Er war mit mehreren angeblich umweltfreundlichen Fabriken und Produkten, die bestenfalls von zweifelhaftem Nutzen waren und mit denen er wahrscheinlich nichts als Geldschneiderei betrieb, auf den Umweltzug aufgesprungen. Cael ließ sich bei seinen Einsätzen nie von Emotionen leiten, aber seiner Meinung nach musste man schon ein absolut skrupelloser Dreckskerl sein, um Menschen übers Ohr zu hauen, die eigentlich etwas Gutes bewirken wollten.
»Der ist erstklassig vernetzt«, war sein ganzer, neutral klingender Kommentar. Wegen Larkins weit reichender Verbindungen musste alles, was sie gegen ihn vorbrachten, absolut wasserdicht sein - und nicht einmal das garantierte, dass es je zu einem Verfahren kommen würde. Andererseits landeten viele dieser Fälle nie vor Gericht. Das »Problem« wurde gelöst, und zwar so, dass es möglichst nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall aussah.
Cael hatte sich die Hände auch schon selbst schmutzig gemacht, aber das war lange her und im Auftrag eines anderen Landes geschehen. Inzwischen war er hauptsächlich auf Überwachungen spezialisiert, und wenn er jetzt angerufen wurde, dann um Material gegen Larkin zusammenzutragen, nicht um ihn auszuschalten.
»Genauer«, sagte er.
»Larkin gehört einem Konsortium an, das sich auf Luxus-Kreuzfahrtschiffe spezialisiert hat. Das erste Schiff, die Silver Mist , soll demnächst in Dienst genommen werden. Die Jungfernfahrt soll als vierzehntägige Wohltätigkeitskreuzfahrt nach Hawaii gehen. Die Passagiere gehören durchweg der High Society an, alle Einnahmen werden gespendet, und um alles wird ein riesiger Presserummel veranstaltet. Larkin wird als Gastgeber der Kreuzfahrt auftreten.
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