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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Laufe der Zeit hat sich dann alles irgendwie verloren. Keine Ahnung, wer das verbockt hat.«
    »Aber ihr wart doch
so
miteinander«, sagte Franz, Zeige- und Mittelfinger kreuzend. »Wann genau war das noch mal?«
    »Neunzehnhundertachtzig. Nach der Drogengeschichte haben sie Mutter das Sorgerecht entzogen.«
    |96| »Hm. Hast du Zigaretten?«, fragte Franz, als wolle er uns eine Verschnaufpause geben.
    »Darf man hier rauchen?«
    »Die Schwester ist schon in Ordnung. Mach nur mal das Fenster auf.«
    Nachdem ich ihm eine Zigarette gegeben hatte, öffnete ich die Balkontür und blieb im Rahmen stehen. Meinen Kopf lehnte ich an das kühle Metall und spürte den Wind durch die Jeans an meinen Beinen.
    »Keine Ahnung, ob deine Mutter inzwischen tot ist«, sagte Franz schließlich. »Ich hab sie vor vier, fünf Jahren noch mal getroffen. Da war sie zu Besuch in der Stadt. Sah ganz schön fertig aus. Hat mir erzählt, sie hätte damals, als ich in den Knast gekommen bin, versucht, mit euch im Ruhrpott noch mal neu anzufangen, und ihr wärt inzwischen aus dem Haus und am Studieren und würdet euch kaum noch bei ihr melden.« Er schnaufte verächtlich. »Dann stimmt das doch, was Paul gesagt hat«, schob er leise hinterher.
    Ich steckte mir eine Kippe an. »Ist Mutter eigentlich lange anschaffen gegangen?«
    »Immer mal wieder«, sagte Franz. »Wusste nie, was sie wollte. Im Puff hat’s ihr nicht gefallen, und die Thekenjobs waren ihr zu schlecht bezahlt. Ich habe immer versucht, sie da unterzubringen, wo sie hinwollte. Eine Weile hat sie dann im Puff Betten bezogen und solche Jobs gemacht. Wäre sie richtig anschaffen gegangen, hätte sie auch anständig Kohle gehabt. Wenn sie nicht anschaffen gegangen ist, hatte ich auch weniger Geld und musste mich um andere Frauen kümmern. Dann wurde deine Mutter wieder eifersüchtig. Zum Schluss war es so, dass ich mehrere Frauen hatte und Strichliste führen musste«, sagte er, unterbrach sich und wiederholte kichernd: »
Strich liste
. Musste halt immer notieren: Wann warste bei welcher? Was haste der gerade erzählt. Aber deine Mutter war schon was Besonderes. Die hätte ich echt«, er starrte an die Decke, »die hätte ich echt fast geheiratet.«
    |97| »Wie lange seid ihr ein richtiges Paar gewesen?«
    Franz zog die Augenbrauen hoch. »Ein richtiges Paar«, wiederholte er stimmlos. »Das Ganze ging vielleicht fünf Jahre. Mal haben wir uns regelmäßig gesehen, dann wieder wochenlang nicht.«
    Er aschte hinters Bett und strich sich die Haare aus dem Gesicht.
    »Und was hat dieser Paul gesagt?«, fragte ich.
    Franz sah mich zögernd an. »Paul meinte, sie wäre irgendwo im Pott auf dem Straßenstrich. Meinte auch, sie hätte wegen irgendwas Dreck am Stecken.« Einen Moment lang schwieg er, und als ich gerade in Gedanken abschweifte, lachte er laut auf und schüttelte den Kopf.
    »Mann, Mann, Mann! Was waren wir für ein Chaotenpaar damals«, sagte er, als erinnerte er sich an eine Klassenfahrt. »Das war echt ’ne verrückte Zeit.« Ich schluckte. »Komplett durchgeknallt waren wir.«
    »Wir hatten total Angst vor dir«, sagte ich, ohne ihn anzusehen.
    »Was?«, fragte er überrascht. »Klar hast du auch mal ’ne Backpfeife von mir bekommen, aber irgendwer musste das doch machen.« Vom Besucherparkplatz war das Schlagen von Autotüren und Kofferraumklappen zu hören. »Du hast doch immer mein Flaschenpfand oder ab und zu einen Heiermann bekommen und dir bunte Tüten davon gekauft.«
    »Trotzdem«, antwortete ich und hätte nicht sagen können, weshalb ich zurücklächelte.
    »Die Nacht, als die Bullen das Koks bei euch gefunden haben, war schon schlimm, das weiß ich wohl noch«, sagte er und blies einen großen Ring Qualm in die Luft wie ein Lasso, mit dem er die Erinnerungen zu halten versuchte. »Und dann habt ihr Kinder das alles mitbekommen. Das tat mir schon leid.«
    »Warum war das Zeug eigentlich bei uns in der Wohnung?«
    »War sicherer als bei mir. Ein kleineres Geschäft vorher |98| hatte so gut funktioniert, da habe ich alles auf eine Karte gesetzt, um richtig Reibach zu machen. Alle Kohle, die ich hatte, habe ich investiert, das bisschen von deiner Mutter noch mit, und habe dann keinen Abnehmer gefunden. Da habe ich das Zeug erst mal bei euch gebunkert. Hatte halt keine Lust, das tütchenweise selbst zu verticken.«
    »Um wie viel Geld ging’s da?«, fragte ich …
    »Nicht viel«, winkte Franz ab, »aber für unsere Verhältnisse schon einiges. Irgendwie habe ich

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