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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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drahtige Typ machte drei schnelle Schritte auf Tommaso zu und anschließend einen Satz in die Luft. Reflexartig ließ Tommaso den gepiercten Kerl los, duckte sich, und die Bierpulle raste an seinem Hinterkopf vorbei. Knurrend und mit klackernden Schuhen landete der drahtige Typ und taumelte ins Gleichgewicht. Als er aufblickte, stand ich vor ihm. Im nächsten Moment sah ich meine Faust in sein Gesicht krachen. Er zuckte zusammen, und die Flasche fiel klirrend auf den Asphalt. Einige Sekunden lang versuchte er, sich zu sammeln, aber noch bevor er reagieren konnte, hatte ich ihm einen erneuten Schlag ins Gesicht und einen weiteren in den Magen verpasst. Als er sich vor Schmerzen krümmte und vornüberbeugte, trat ich ihm die Beine weg. Er knallte auf sein Steißbein.
    »Du dummes Schwein«, winselte er.
    Eine Faust noch immer geballt, stand ich über ihm, als sei ich Muhammad Ali und er Sonny Liston. In meinem Schädel war dieses Rauschen. »Wer ist hier das dumme Schwein?«, hörte ich mich brüllen. »Wer?!« Als ich einen weiteren Schlag andeutete, riss er sich die Hände vors Gesicht. Auf einmal war mir egal, wer vor mir auf dem Boden lag, was er getan hatte oder aus welchem Grund ich ihm das Gesicht blutig schlagen wollte. Worum es ging, war nur noch dieses Gefühl irgendwo in meinen Eingeweiden, an das ich mich wieder erinnerte. Er sah mich mit flackernden Augen an, und ich wollte, dass er bettelte, ich möge aufhören.
    |168| »Wer ist jetzt das dumme Schwein?«, wiederholte ich und war kurz davor, ihn zusammenzutreten.
    »Stoppstoppstopp«, murmelte Flavio. Mit einer Hand zog er mich beiseite, während er sich mit der anderen den Bauch hielt. »Komm mal runter, Alter.«
    Aus der Menge rief jemand: »Ihr Scheißtürsteher seid echt der letzte Dreck.«
    »Ich wollte doch nur in den beknackten Laden«, jammerte der gepiercte Kerl. Inzwischen hatte er tatsächlich angefangen zu heulen, stand kraftlos neben Tommaso und machte keine Anstalten abzuhauen. »Nur ein bisschen feiern und so.«
    »Können wir das ohne Bullen klären?«, fragte Tommaso in die Runde, und der mit dem Piercing nickte. Daraufhin lockerten Tobi und Ayhan den Griff bei dem Hünen, der unverändert mit ihren Knien im Rücken auf dem Boden lag.
    »Klar solltet ihr die Bullen rufen«, hörte ich wieder die Stimme aus der Menge, »der eine Türsteher hat voll mit der Faust zugeschlagen.«
    »Unbeteiligte halten jetzt mal sofort die Fresse«, sagte Tommaso, worauf aber nur noch mehr Leute anfingen zu stänkern. Der Hüne half seinem drahtigen Kumpel auf, und beide warfen mir giftige Blicke zu.
    »Frank?« Eine Frau trippelte auf den gepiercten Kerl zu. »Frank, was ist denn hier los?«
    »Ich wollte einfach nur mit dir feiern, Süße«, schluchzte er. »Aber die Schweine wollten mich nicht reinlassen.«
    »Schatz«, seufzte sie und umarmte ihn, als würde sie ein Kleinkind trösten. Dabei sah sie uns an, als hätten wir ihn soeben vom Klettergerüst geschubst.
    »Ey!«, der drahtige Typ deutete auf mich. »In zehn Minuten sind die Bullen hier. Du hast jetzt echt ’n Problem.«
    Mir stockte der Atem.
    »Der hat den voll brutal zusammengeschlagen«, wurde hinter mir getuschelt.
    »Ich gehe jetzt zu den Bullen und …«
    |169| »Micha«, unterbrach Tommaso den drahtigen Typen und spazierte gemächlich auf ihn zu. »Da musst du doch nicht extra zu den Bullen latschen. Kannst die auch gerne von drinnen anrufen.«
    Beide sahen sich an.
    »Wenn du die Bullen holst, hast du ganz andere Probleme. Capito?«
    Nach einem Moment des Schweigens verschwand der Drahtige, ohne einen weiteren Ton von sich zu geben. Tommaso wandte sich an den Hünen: »Wollen wir auch noch was besprechen, Torsten?«, aber der schüttelte nur den Kopf.
    »Gut. Hausverbot. Dieses Mal endgültig. Kannste Micha auch sagen. Und du«, er deutete auf die Freundin des gepiercten Kerls, »du holst jetzt deine Sachen raus, verschwindest mit deinem Jammerlappen, und ihr lasst euch hier in nächster Zeit auch nicht mehr blicken.«
    Tommaso war noch nicht fertig mit dem Satz, da fingen die umstehenden Leute schon an rumzupöbeln, aber er beachtete sie nicht weiter.
    »Immer noch Einlassstopp«, sagte er nur und bedeutete mir und Flavio, dass wir ihm folgen sollten, als er im Laden verschwand.
     
    Wieder im Hinterzimmer, fläzte ich mich auf das Sofa und starrte an die Decke. Einzelne Szenen des Abends flimmerten darüber wie über eine Leinwand. Ich versuchte, sie zu verlangsamen, um genauer

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