Nachtleben
Tommaso fort, lehnte sich nach hinten, kramte in einem Karton und zog eine Sofortbildkamera heraus, »und machen zur Sicherheit auch noch ein schönes Foto von dir.«
»Ihr seid nicht die Polizei, so was dürft ihr gar nicht«, beschwerte sich der Bubi, aber Tommaso lupfte eine Augenbraue und streckte die Hand Richtung Telefon aus. »Sollen wir die Polizei rufen, damit sie das erledigt?«
Der Bubi rieb sich den Hals.
»Also, dann stell dich mal da drüben vor die Wand.«
Während ich den Ausweis kopierte, machten die beiden das Foto. Als sich Tommaso wieder an den Schreibtisch gesetzt hatte, gab ich ihm die Kopie, und er tackerte das Bild dran.
»Pascal, Pascal, Pascal«, seufzte er, als betrachtete er ein vergeigtes Zeugnis.
»Und was ist mit meinem Speed?«, wollte der Bubi wissen.
Tommaso sah ihn mitfühlend an. »Das müssen wir leider sicherstellen.«
»Ey«, keuchte der Bubi, »ihr seid so scheiße.«
»Du verpisst dich jetzt!«, herrschte Flavio ihn an, und |160| nachdem der Bubi ihm einen abschätzigen Blick zugeworfen hatte, verschwand er. Wir sahen uns an.
»Hehehe«, machte Tommaso, fischte eines der Tütchen aus dem Hip-Bag und öffnete es. Nachdem er daran geschnüffelt hatte, präparierte er drei Lines Speed auf einer CD-Hülle.
»Hat jemand einen Zehner?«, fragte er, worauf Flavio sein Portemonnaie herausholte und einen Schein zu einem Röhrchen rollte.
»Ist das ein Test?«, fragte ich.
»Wieso?«, fragte Tommaso zurück.
»Na ja, ich dachte … keinen Alkohol.«
»Das ist kein Alkohol. Das ist wie Espresso. Wie Espresso hoch zwei«, sagte er und zog sich eine der Lines in die Nase. »Da wird man nicht breit von, sondern wach. Und irgendwie auch ein Stück größer. Könntest du, glaube ich, gut brauchen.«
Andere Drogen als Gras und Hasch hatten Flavio und ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausprobiert, aber Flavio sniefte seine Portion wie ein alter Hase und hielt mir dann wie selbstverständlich den Schein hin. Als ich zögerte, riss er, Tommaso den Rücken zugewandt, die Augen auf. Also zog ich. Im ersten Moment spürte ich einen beißenden Schmerz in der Nase, und anschließend brannte der zurücklaufende Rest Speed an den Schleimhäuten. Ich schluckte, und es war bitter im Hals. Einige Sekunden später glaubte ich ein Britzeln im Hirn zu spüren, als würden einzelne Hirnzellen knistern und platzen wie Bierschaum.
Tommaso rieb sich die Nase. »Rick, du musst echt mehr machen. Du musst aufmerksamer sein. Gucken, was passiert. Hast du Schiss vor den Leuten? Du darfst keinen Schiss haben. Wir haben hier Hausrecht, und wenn einer Scheiße baut, dann muss er halt mit den Konsequenzen leben.« Ich reagierte nicht. »Sag mal, hast du Schiss?«
»Is’ schon okay«, sagte ich. »Muss halt nur erst mal reinkommen in den Job.«
|161| »Dann mach was«, sagte Tommaso. »Du musst den Leuten zeigen, dass du der Herr im Hause bist. Sonst bringt das nichts.«
»Hm.«
»Machst das gut«, wandte sich Tommaso an Flavio. »Nicht ganz so aggro sein bei solchen Lappen wie dem Kerl eben, aber auf jeden Fall nach vorne gehen.« Flavio nickte. »Dann wieder ab zur Tür. Und schickt mal Tobi und Ayhan zu mir«, sagte Tommaso und kramte wieder im Hip-Bag.
In dem kleinen Flur, der in den Discobereich führte, hielt Flavio mich am Arm fest.
»Ey, Rick«, sagte er, »wenn du keinen Bock hierauf hast, dann is’ das in Ordnung. Ich habe dir das nur vorgeschlagen, weil ich dachte, du hättest keine Lust mehr auf deinen richtigen Job. Ich dachte, das wäre cool, wenn wir das zusammen durchziehen. Willst du das hier machen?«, wollte er wissen, aber ich zuckte mit den Schultern.
»Erst mal.«
»Wie? Erst mal?«
»Erst mal eine Weile gucken, wie es so läuft.«
»Dann darfst du aber echt nicht so«, Flavio starrte an die Decke, »so leise sein, irgendwie. Die anderen halten dich, glaube ich, für den totalen Schlappschwanz. Komm mal ein bisschen aus dir raus. Wenn wir zu zweit rumhängen, geht das doch auch.«
Wir bezogen wieder unseren Posten am Einlass, und wenig später kam auch Tommaso mit Tobi und Ayhan zurück. Irgendwann tippte mir Tommaso auf die Schulter.
»Einlassstopp«, sagte er. »Wenigstens eine Stunde. Sag das mal an.«
Vor uns war eine Schlange von knapp dreißig Leuten, die noch keinen Stempel hatten, außerdem standen auf dem Parkplatz mehrere kleinere Grüppchen in Hörweite.
»Leute?«, rief ich in die tratschende Menge und war irritiert, |162| meine Stimme derart laut zu
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