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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Tag mit seiner aktuellen Braut verbrachte, während ich allein rumhing, wollte ich es mit Sara probieren. Sie jobbte an der Theke eines Clubs, in dem ich regelmäßig an der Tür stand, und nachdem wir uns einige Tage zuvor unterhalten hatten, ohne dass mehr gelaufen war, hatten wir uns verabredet.
    Das Treffen zog sich seit über einer Stunde zäh hin. Schließlich bestellte ich einen Espresso und dazu einen Whiskey in der Hoffnung, das nachmittägliche Saufen würde sie abschrecken und dazu führen, dass sie sich verabschiedete. Selbst abhauen und sie sitzen lassen wollte ich nicht, weil ich ihr an den nächsten Wochenenden im Club über den Weg laufen würde.
    »Und wo warst du am elften September?«, fragte sie und |179| schob sich einen Amarettokeks in den Mund. Einen Moment überlegte ich, aber es wollte mir nicht einfallen. Für eine Sekunde spielte ich mit dem Gedanken, nach dem Jahr zu fragen, aber stattdessen sagte ich: »Da habe ich verkatert im Bett gelegen«, worauf sie nur in ihren Caffè latte blinzelte.
    Ich steckte mir eine Zigarette an und bemerkte einen etwa sechsjährigen Jungen, der von außen ins ebenerdige Fenster nur wenige Schritte von unserem Tisch entfernt geklettert war, sich am Fensterbrett festhielt und ins Café lugte. Unsere Blicke trafen sich.
    »Arschloch!«, rief er zu mir herüber und dann gleich noch mal: »Du altes Arschloch!«
    »Der ist ja niedlich.« Sara lächelte ihm zu und deutete mit ihren Fingerkuppen ein Winken an.
    »Arschloch«, kläffte der Junge lauter und zeigte seine Zähne und viel Zahnfleisch. Die Bedienung brachte meine Bestellung, und als ich glaubte, ein verstohlenes Zwinkern in ihrem Blick zu bemerken, kam ich sofort wieder ins Grübeln. Mit einem Schluck stürzte ich den Whiskey herunter.
    »Arschloch!«
    Einige Meter hinter dem Rotzlöffel, an einem Stromkasten lehnend, entdeckte ich zwei Männer, die sich miteinander unterhielten. Einer von ihnen hatte einen Kinderpullover über die Schulter geworfen.
    »Ich war am elften September mit meiner Schwester in so einem Elektrogeschäft, um eine Waschmaschine zu kaufen«, sagte Sara und zündete sich eine Zigarette an. Ich streckte meine Zehen in den Stiefeln. »Wir sind so am Rumgucken, und auf einmal rennen alle Leute in die Fernsehabteilung.«
    »Altes Arschloch«, rief der Junge inzwischen deutlich lauter. Der Kerl, der wahrscheinlich sein Vater war, warf ihm nur einen knappen Blick zu und unterhielt sich ungerührt weiter mit seinem Kumpel.
    Während ich abaschte, überlegte ich, was Flavio gerade machte, ob wir bei dem guten Wetter nicht abends noch grillen |180| könnten oder ob er tatsächlich mit seiner aktuellen Freundin, Bettina, ans Meer gefahren war.
    »Wir haben uns erst gar nichts dabei gedacht«, sagte Sara, »gucken uns eine Waschmaschine nach der anderen an, und in der Fernsehecke wird’s immer voller.«
    »Noch einen Whiskey, ja?«, rief ich der Bedienung zu, die zwischen den Tischen hin- und herflitzte wie auf Rollerblades. Sie lächelte.
    »Arsch-loch!«
    Meine Stiefel drückten, und ich überlegte, ob ich noch die rauchige Steaksauce zu Hause hatte und ob Flavios Neue wirklich Bettina oder nicht doch Franziska hieß.
    »Irgendwann bekommen wir mit, wie die Leute sich in so einem ganz merkwürdigen Ton miteinander unterhalten, und denken nur: Wie jetzt?«, sagte Sara, ohne dass ich irgendein Interesse zeigte.
    Der Vater des Jungen gestikulierte lachend mit den Händen, und der andere Mann nickte. Zigarettenqualm zog mir in die Augen.
    »Altes Arschloch!«
    »Dann sind wir zu den Fernsehern rüber, um zu gucken, was da passiert«, fuhr Sara fort. »Im ersten Moment dachten wir, das wäre Werbung für einen Film. Aber wir gucken uns um, und da stehen die Leute ganz betroffen da, schütteln die Köpfe und so.«
    Rippchen hatte ich schon lange nicht mehr gegessen, fiel mir ein. Zur Not könnte ich auch alleine grillen. Irgendwo hinten im Schrank lag auch noch Flavios Elektrogrill.
    »Aaarsch-loooch!«
    »Das war halt so ein Nachrichtensender, der das Ganze live übertragen hat. Und plötzlich sehen wir die zweite Maschine in den Süd-Turm krachen.« Sara sah mich mit großen Augen an, als erwarte sie eine überraschte Reaktion meinerseits.
    »Du! Al! Tes! Arsch! Loch!«
    |181| »Oder war das der Nord-Turm?«, fragte sie und starrte in den Deckenventilator.
    Letztes Wochenende war mir das Bauchfleisch zu fettig gewesen, und Putensteaks haben sowieso mehr Eiweiß, ging es mir durch den Kopf,

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