Nachtmahl im Paradies
sehr leid«, ergänzte sie an Jacques gewandt. »Wann …«
»Vor sieben Jahren«, knurrte er.
»Oh …«
Erneut, als wäre irgendetwas falsch an seiner Antwort, meinte er dieses ungläubige Runzeln auszumachen, das sie schon vorhin draußen auf dem Feld auf der Stirn getragen hatte, als sie ihn aus seinem Wagen zu locken versucht hatte. Um ihr gar nicht erst die Chance zu geben nachzuhaken und damit möglicherweise die Oberhand zu gewinnen in dem Wettstreit der gegenläufigen Interessen, der hier über seinen Tresen hinweg ausgetragen wurde, hielt er es für das Beste, gleich wieder auf Angriff zu schalten:
»Nun denn, Mademoiselle«, durchbrach Jacques das unangenehme Schweigen, das sich eingestellt hatte, weil Gustave unbedingt Elli ins Spiel hatte bringen müssen. »Mir ist gerade eine bezaubernde Idee gekommen. Falls Sie sich in diesem schönen Land aufhalten, weil Sie auf Jobsuche sind: Wussten Sie, dass das erfolgreichste Restaurant Frankreichs seit kurzem ohne Chef auskommen muss?«
Catherine sah ihn an, als wittere sie die nächste Offensive. Zu recht, dazu musste man nicht über ein allzu feines Näschen verfügen.
»Und wer soll das bitte sein?«, fragte sie, wobei sie genervt die Augenbrauen hochzog – in einer Perfektion, wie es sonst nur französische Frauen vermochten.
Zumindest in diesem Punkt überraschte sie ihn für einen winzigen Augenblick. Jedoch ohne ihn wirklich aus dem Konzept bringen zu können, was vermutlich ihre Absicht gewesen war.
»Also«, fuhr er mit gewandter Zunge fort. »Es handelt sich um keinen Geringeren als Denis Hennequin, den ich und die Vertreter meiner Zunft überaus schätzen! Erst neulich hat er seinen Chefsessel bei McDonald’s geräumt – und das sogar freiwillig: drei Komma sechs Milliarden Nettoumsatz, elfhundertfünfzig Filialen! Das könnte eine Aufgabe sein, die Sie als Amerikanerin ganz besonders reizen dürfte, nicht wahr?«
Die Person auf der anderen Seite der Bar musterte ihn kurz, aber beunruhigend eindringlich mit ihren hypnotischen kornblumenblauen Augen – um gleich darauf den Kopf zu schütteln, während ein enttäuschtes Lächeln ihren Mund umspielte. Ein gequältes Lächeln, das ihm signalisierte, dass sie kurz davor war aufzugeben. Gut so.
»Jacques, ich muss schon sagen, du bist sehr unhöflich zu Catherine!«, fuhr Gustave ihn an und ließ endgültig von ihm ab. »Existiert irgendein Grund für den eigenwilligen Charme, den du heute an den Tag legst – ein Grund, den ich partout nicht erkennen kann? Oder ist es einfach nur die Arroganz des Verlierers, der sich längst aufgegeben hat und möchte, dass man ihm wie einem alten, störrischen Gaul den Gnadenschuss verpasst?«, versuchte Gustave ihn mit einer Giftspritze aus der Reserve zu locken, während er mit sauertöpfischer Miene wieder auf die andere Seite der Bar wechselte, zu seiner Verbündeten.
Jacques schwieg stur. Er hatte nicht die geringste Lust, von dem Unfall auf der Landstraße anzufangen und von dem Schock, der ihm noch immer in den Gliedern saß, oder besser gesagt wieder – dank des Déjà-vu mit seiner Unfallgegnerin, das er hier gerade erlebte.
» Pardon , mir war eine CD runtergefallen«, gab sie endlich zu. Wenn auch ungefragt. »Es war niemand auf die Straße zu sehen, also habe ich mich kurz gebückt.«
Voilà , damit lag das Geständnis auf dem Tisch – und ein Mann der Rechtsprechung war glücklicherweise ebenfalls zugegen!
Innerlich atmete Jacques auf, dass die Amerikanerin die Schuld an dem Unfall nicht nur eingestand, sondern sie offensichtlich auch bei sich allein suchte. Da sie nicht auf die Straße geachtet hatte, hatte sie logischerweise auch nicht feststellen können, dass sein Blick sich ebenfalls nicht auf dem Asphalt befunden hatte.
Nun war es Gustave, dem die Überraschung ins Gesicht geschrieben stand. Er schaute sie beide fragend an. Zuerst Jacques, dann Catherine.
»Gibt es da etwas, das ihr zwei mir sagen wollt?«
Catherine erwiderte unsicher seinen Blick – entweder sie war es wirklich oder sie war eine hervorragende Schauspielerin – und schüttelte nach kurzer Bedenkzeit den Kopf. Jacques tat es ihr nach. Wozu noch darüber lamentieren? So war er fein raus. Und dabei sollten sie es aus seiner Sicht nunmehr am besten belassen. Gustave schien ratlos in Anbetracht der wirren Auseinandersetzung, die sich hier vor seinen Augen abspielte.
»Wie auch immer. Nur zu deiner Information, Jacques, Catherine hatte viele Jahre lang ein eigenes
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