Nachtmahl im Paradies
sehen möchte. Bravo!«
»Na prima, dann ist ja alles in Butter«, stöhnte Jacques ins Telefon, weil er beim besten Willen nicht verstand, warum sein Freund und Anwalt sich derart echauffierte.
»In Butter?« Für einen Moment befürchtete Jacques, Gustaves Hand könnte durch die Telefonmuschel langen und sich wie eine eiserne Kralle um seinen Hals schließen, um ihn in einem Anfall unbändiger Wut zu Tode zu würgen.
»Nichts ist in Butter! Es sei denn, du strebst die endgültige Vernichtung deines Restaurants an – was gleichbedeutend mit deiner eigenen Vernichtung wäre. Diese Amerikanerin ist ein Geschenk des Himmels, begreif das doch endlich! Nun, sie war ein Geschenk des Himmels. Ein Geschenk, das du nicht nur hast davonfliegen lassen, sondern dem du noch dazu einen kräftigen Tritt verpasst hast, damit es ja nicht zurückkommt, sondern am besten gleich auf dem Mond landet!«
»Gustave …«
»Jacques, bitte versteh doch: Catherine wäre mit fünfzig Prozent als Partnerin bei dir eingestiegen – mit einer Summe, die deine gesamten Schulden abgedeckt hätte. Nun braucht sie bloß auf die Zwangsversteigerung zu warten und bekommt das ganze Paris für exakt denselben Preis – du blöder, alter … Hornochse. Auch wenn ich Gefahr laufe, mich zu wiederholen!«
»Und wann wird die Zwangsversteigerung deiner Meinung nach stattfinden?«, fragte Jacques, der bei all den Vorwürfen seines Freundes langsam selbst ein ungutes Gefühl in sich aufsteigen spürte – ein Gefühl, das er gleich mit einem Schluck Rotwein herunterspülen würde, ein Gefühl, das völlig ungerechtfertigt war.
»Ich hatte die Papiere schon in der Hand. Wäre nicht Catherine in letzter Minute aufgetaucht, ich hätte sie dir heute Morgen auf den Tisch geknallt!«
Also doch! Zumindest in diesem Punkt hatte sich Jacques nicht getäuscht. Es war fünf vor zwölf, und Gustave hatte ihn nicht vorgewarnt. Nicht wirklich jedenfalls, abgesehen von den üblichen Predigten, die er ihm schon seit Monaten, nein Jahren!, hielt.
»Wieso hast du mich nicht …«
»Gewarnt?«, beendete Gustave den Satz. »Das tue ich seit sieben Monaten, nein Jahren! Mindestens einmal pro Woche.«
In Jacques’ Kopf begann sich alles zu drehen. Er sah sich schon als Penner auf der Straße herumlungern oder als Küchenjunge bei Alain Ducasse oder Guy Martin in Paris wieder ganz von vorn anfangen. Oder, noch entwürdigender, bei einem dieser hochbegabten kulinarischen Teenager wie Alexandre Gauthier in Montreuil-sur-Mer oder François Adamski in Bordeaux, die beide seine eigenen Söhne sein könnten. Wenn sie ihn überhaupt nahmen, schließlich war er alt. Uralt. Fast fünfzig, um genau zu sein. Am vierzehnten Dezember wäre es so weit. Noch ein halbes Jahr … auch Guy Martin war kaum älter als er, und schon bald würde er für ihn Kartoffeln schälen müssen.
»Gut. Was können wir jetzt noch tun?«, fragte er und wunderte sich selbst, wie dünn und leise seine eben noch so selbstbewusste Stimme auf einmal klang.
»Ich sag dir jetzt mal was, Jacques«, empfahl ihm Gustave in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, »wenn du wirklich noch eine Chance haben willst, dann lade Catherine zum Essen ein und bereinige die Sache. Entschuldige dich bei ihr.«
Entschuldigen? Niemals! Wofür? Diese drei Wörter huschten als Erstes durch Jacques’ Kopf. Doch er sprach sie vorsichtshalber nicht aus. Man könnte auch sagen: einer plötzlichen weisen Eingebung folgend.
»Ich soll mit ihr essen gehen? Ernsthaft?«
»Ernsthaft.«
»Ins … Paris ?«
»Bist du verrückt? Nein, nicht ins Paris ! Geh mit ihr irgendwohin, wo man gut essen kann. In Deauville, Honfleur oder fahrt meinetwegen nach Paris, dann könnt ihr euch unterwegs schon mal besser kennenlernen.«
Gustave war berühmt für seine Schläge unter die Gürtellinie. Auch dieser verfehlte seine Wirkung nicht. Jacques verspürte sofort ein flaues Gefühl in der Magengegend.
»Du meinst, ich soll mit ihr in ein anderes französisches Restaurant gehen?«
»Von mir aus auch zu einem Italiener.«
»Na, großartig.«
Vom anderen Ende der Leitung war ein pfeifendes Geräusch zu vernehmen, das so ähnlich klang, wie man sich für gewöhnlich ein absichtlich lautes, überaus theatralisches Aufatmen vorstellt.
»Gut! Heute Abend? Ich sage Catherine Bescheid, dass du sie abholst.«
»Moment mal, ich … sie … abholen?«
Das flaue Gefühl in der Magengegend wuchs sich langsam, aber sicher zu einer heftigen
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