Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
begrüßte sie Jason mit einer Miene komischer Verzweiflung.
    »Ich habe dir Tee gekocht, aber für Porridge bin ich noch nicht in der richtigen Verfassung. Dafür habe ich Cornflakes und Milch gefunden. Ich hoffe, das reicht für heute Morgen. Was dein Kater will, weiß ich allerdings nicht.«
    Er deutete auf den mit Katzenfutter gefüllten Napf, vor dem sich Finley niedergelassen hatte. Er betrachtete das Futter mit sichtlicher Abneigung und peitschte unruhig mit dem Schwanz hin und her.
    »Er möchte ebenfalls Porridge zum Frühstück«, teilte Lorena Jason mit einem verschmitzten Lächeln mit. Jason stöhnte gequält, während sich Lorena zu dem Kater hinabbeugte und ihm versöhnlich den Nacken kraulte. »Komm, sei nicht so, alter Junge. Heute muss es eben mal so gehen.« Sie setzte sich an den Tisch, aß eine Schüssel Cornflakes und trank den etwas zu stark geratenen Tee, während ihr Jason gegenübersaß und sie aus müden Augen betrachtete. Der Kater gab seinen Widerstand auf und machte sich ebenfalls über sein Frühstück her.
    »Darf ich noch ein wenig bleiben?«, erkundigte sich Jason, »oder wirfst du mich jetzt raus?«
    Lorena versuchte, nicht daran zu denken, wie er in ihrem Buch gelesen hatte. Außerdem wusste er jetzt alles über sie. Von nun an musste es keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen geben. Ein seltsames Gefühl, ein ungewohntes, aber ein sehr schönes!
    Lorena erhob sich, küsste Jason zärtlich auf den Mund und griff nach ihrer Tasche. »Schlaf dich ruhig aus, zank dich aber nicht mit Finley.«
    Jason erwiderte den Kuss. »Wir werden schon miteinander klarkommen. Ansonsten regeln wir das eben wie unter Männern.«
    Lorena kicherte. »Ach, und wie geht das?«
    Jason gähnte. »Keine Ahnung, aber mir wird schon was einfallen. Ein Bier zur Versöhnung kann ich ihm vermutlich nicht anbieten?«
    »Nein, auf Bier steht er nicht«, gab Lorena mit bemüht ernster Miene zur Antwort. Dann eilte sie zur Tür und sprintete im Dauerlauf zur U-Bahn-Station, wo sie gerade noch den Zug der Circle Line erwischte, der sie in die City bringen würde.
    Die nächsten drei Tage sah Lorena Jason nicht. Sie telefonierten nur kurz miteinander. Sie war tagsüber in der Bank, er hatte Proben und musste darüber hinaus abends arbeiten: berufstätige Musikschüler, die nur zu diesen Zeiten Unterricht nehmen konnten. Für Jason war das eine zusätzliche Einnahmequelle, und so störte er sich nicht daran. Viel mehr hatten seine Mitbewohner in den anderen Wohnungen zu leiden, die sich bis spät abends mehr oder weniger schön vorgetragene Klavierstücke anhören mussten. Doch normalerweise war das kein Problem. Die alte Dame über ihm drehte ohnehin ihren Fernseher lauter, weil sie nicht mehr so gut hörte, und die beiden jungen Männer, die die Wohnung auf der rechten Seite gemietet hatten, waren zu diesen Zeiten meist noch in irgendwelchen Pubs unterwegs. Nur das junge Paar unter ihm war mit der Musik aus seiner Wohnung nicht so glücklich, beschwerte sich aber nicht. Wenn es sie störte, legten sie etwas ein, das ihrem Musikgeschmack entsprach und dessen durchdringender Rhythmus am Vibrieren des Bodens zu spüren war.
    »Nimmst du mich am Wochenende mit?«, erkundigte sich Jason, als er Lorena am Donnerstag von der Bank abholte und mit ihr durch die City schlenderte. Sie wollten in einem Restaurant in der Nähe von St. Pauls Sushi essen gehen.
    Lorena sah ihn überrascht an.
    »Du wirst doch wieder deine Großmutter besuchen, nicht wahr? Und es drängt dich, ihre Sachen weiter zu durchforsten.«
    Sie hatte ihm ein wenig von ihrem letzten Besuch erzählt, doch bisher hatte sie sich nicht entschieden, wann sie wieder nach Hamburg reisen wollte. Sie zögerte. Ja, es drängte sie, ihre Suche nach den geheimnisvollen Pillen fortzusetzen, und sie wollte wieder mit Großmutter sprechen. So viele Erinnerungen wurden wach. Die meisten davon gute, glückliche Momente und unbeschwerte Tage, die sie, wie die dunklen Zeiten, so tief in ihrem Gedächtnis vergraben hatte, dass sie sie selbst nicht mehr hatte finden können. Ihre Großmutter half ihr, das Gute zu entdecken. Solange ihr Geist klar blieb, erinnerte sie sich an vieles besser als Lorena.
    So war Lorena erstaunt, dass einige Episoden, die Großmutter ihr von ihr und Lucy berichtete, keine schlechten Gefühle in ihr auslösten. Es gab Momente, in denen sie ihre Schwester geliebt hatte. Wo sie friedlich miteinander gespielt hatten oder zusammen durch den Garten getollt

Weitere Kostenlose Bücher