Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
es nicht. Sie veränderten sich, das war klar. Und nicht gerade zum Guten. Das konnte ganz schnell gehen oder auch nur schleichend. Es kam darauf an, wie das Gift auf sie wirkte. Inzwischen bevorzugte sie starke Charaktere mit ausgeprägter Persönlichkeit. Nur sie waren eine echte Herausforderung und versprachen ein wenig Spannung. Und doch war das Ende stets von vornherein klar. Irgendwann erlagen sie der Magie des Nachtmahrs. Irgendwann war nichts mehr von ihnen übrig. Irgendwann waren sie einfach nur noch langweilig!
»Komm herein, ich habe mit dir zu reden.«
Raika riss sich von ihren Gedanken los und beeilte sich, der Aufforderung der Lady Folge zu leisten. Sie hatte schon einige Sätze zu ihrer Verteidigung vorbereitet, doch die Lady ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Wie ich höre, interessierst du dich für eine deiner Schwestern«, sagte die Lady, und sosehr sich Raika auch bemühte, sie konnte der Tonlage ihrer Stimme nicht entnehmen, ob dies ein Vorwurf war oder gar eine Anklage.
Was wollte die Lady nun wieder von ihr? Ging es gar nicht erneut um den Unfall? Sie versuchte sich an einem unschuldigen Blick und wagte es, ihn zumindest bis zu Myladys gefalteten Händen anzuheben, die bewegungslos in ihrem Schoß lagen.
»Eine Schwester?«, wiederholte sie mit Verwunderung in der Stimme. »Von wem sprechen Sie?«
Das war die falsche Reaktion gewesen. Die Stimme der Lady klang verärgert. »Stell dich nicht dumm, das steht dir nicht. Ich spreche von Lorena, die du in Notting Hill getroffen hast.«
»Lorena? Heißt sie so? Ich bin ihr zufällig begegnet und habe gewittert, dass sie eine von uns ist … Aber interessieren ist zu viel gesagt«, wehrte Raika ab.
»Deshalb bist du ihr auch bis zu ihrer Wohnung gefolgt, weil sie dich gar nicht interessiert«, fügte die Lady nun mit Sarkasmus in der Stimme an. »Und deshalb warst du auch in dieser Bar, die sie in letzter Zeit immer wieder aufsucht.«
Woher zum Teufel wusste sie davon? Hat sie denn überall ihre Spione? Offensichtlich! Raika nahm sich vor, vorsichtiger und vor allem aufmerksamer zu sein. Man konnte niemandem mehr trauen.
»Ich habe nicht viel über sie erfahren, aber ich glaube, sie ist ziemlich langweilig«, meinte Raika.
»Und dennoch ist sie für uns von großem Interesse«, verriet die Lady.
Raika war so überrascht, dass sie ihr fast ins Gesicht gesehen hätte. »Weshalb?«
»Das musst du nicht wissen. Für dich ist allein wichtig, dass ich mich für sie interessiere und nicht will, dass sie in ihrer Entwicklung gestört wird. Du darfst sie beobachten, ja, tu es, das hält dich vielleicht von anderen Dummheiten ab. Berichte mir, wenn dir etwas Ungewöhnliches auffällt, aber misch dich nicht ein! Ich entscheide, wann die Nacht gekommen ist, da sie alles erfahren wird. Noch muss sie sich allein auf die Suche machen. Sie hat gerade erst begonnen.«
Raika hatte keine Ahnung, wovon die Lady sprach. Sie liebte es wie immer, sich mit Rätseln zu umgeben, und sie würde ihr auch nicht mehr verraten, wenn sie versuchte, sie zu drängen. »Kann ich dann wieder gehen?«, fragte sie stattdessen.
»Wenn du es wünschst. Doch befolge meine Anweisungen – und halte dich zurück! Ich will es dir nicht noch einmal sagen müssen. Ich wünsche keine Aufmerksamkeit, und dazu gehören auch Berichte über Unfälle, bei denen Männer blindlings vor Autos laufen, und Frauen am Unfallort, die als überirdisch schön beschrieben werden!«, fügte sie scharf hinzu.
Raika unterdrückte einen Seufzer. »Es war schließlich keine Absicht. Es ist einfach so passiert.«
»Dann musst du deine Sinne eben so zusammennehmen, dass solche Dinge nicht immer wieder in deinem Umfeld passieren!«
Raika murmelte so etwas wie eine Entschuldigung und verließ eilig den Salon. Dann rannte sie die Auffahrt hinunter bis zum Tor. Hoffentlich musste sie diesen Ort lange, lange nicht mehr aufsuchen. Doch hatte die Lady nicht gesagt, sie solle Lorena beobachten und ihr berichten? Raika schnitt eine Grimasse. Hatte sie nicht genügend willenlose Sklaven, denen sie befehlen konnte? Musste sie jetzt auch noch Raika vorschreiben, wie sie ihre Nächte zu verbringen hatte?
Nun ja, dann würde sie eben kurz in Notting Hill vorbeischauen. Vielleicht würde sich die Kleine ja wieder mit dem prächtigen Schwarzen eine heiße Nacht gönnen.
Hieß er nicht Noah? Egal. Jedenfalls wäre der durchaus auch meine Kragenweite , dachte Raika und leckte sich über die Lippen. Sie spürte die
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