Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
sich das bisher noch nie genehmigt?
Natürlich begann die Stimme ihres moralischen Gewissens sogleich zu zetern und zählte ihr auf, wie verwerflich dies alles war, doch sie hatte heute keine Lust auf ein schlechtes Gewissen, weder wegen ihrer Krankmeldung noch wegen Noah.
Nun ja, wegen Noah vielleicht ein wenig. Wie konnte sie nur so skrupellos den Sex mit ihm genießen, während sie sich gleichzeitig nach einem Wiedersehen mit Jason sehnte?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun , versuchte sie, sich einzureden. Lorena war in Jason verliebt. Den zügellosen Sex dagegen genoss Faith mit Noah.
Wen versuchte sie hier zu belügen?
Lorena seufzte und wollte nicht weiter darüber nachdenken, was nicht ganz so einfach war. Sie drehte das Radio laut und wusch ihre Wäsche, sie ging einkaufen, plauderte mit ihrem Vermieter und kochte dann einen traditionellen Irish Stew, wie ihre Tante es ihr vor vielen Jahren beigebracht hatte.
Ja, das war gut. Sie konnte an ihre Jahre an der Highschool denken, an ihre Zeit bei Tante Ruby nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Vaters. Nein, das war schon wieder nicht gut. Kein Thema, mit dem sich ihre Gedanken befassen wollten.
Also noch einmal von vorn. Ihre Highschoolzeit. Die Mitschüler, die ihr erst so fremd vorgekommen waren und mit denen sie erst nach und nach warm geworden war: Grace, Maisie und Chloe, oder Jamie, Dylan und Connor.
Und Jason.
Immer wieder Jason, in den sie sich verliebt hatte. Doch er wollte immer nur ihr Freund sein, ihr Kumpel, mit dem man Pferde stehlen konnte. Hatte er je das Mädchen in ihr gesehen, das sich in ihn verliebt hatte?
Das ging auch schon wieder in eine gefährliche Richtung.
Lorena schleuderte den langen Holzlöffel in den Topf, dass die heiße Soße aufspritzte.
»Aua. Verdammt!«
Der Kater, der auf dem Küchenstuhl geschlafen hatte, öffnete die Augen und sah sie vorwurfsvoll an.
Lorena drehte das kalte Wasser auf und hielt ihren schmerzenden Arm unter den kühlen Strahl. Tränen standen ihr in den Augen, doch sie wusste, dass sie nicht vom Schmerz der Verbrennung kamen. Panik kroch aus den dunklen Winkeln ihrer Seele und ballte sich wie ein Stein in ihrem Magen zusammen. Da war sie wieder, diese Angst, die Kontrolle zu verlieren. Die Furcht davor, sie selbst würde sich verlieren und das Etwas in ihr, das böse, dunkle Wesen, die Oberhand gewinnen. War es nicht schon dabei, sie zu beherrschen? Ihr Nacht für Nacht seinen Willen aufzuzwingen? Sie wollte nicht so werden. Sie wollte nicht Faith sein. Sie sehnte sich danach, nur Lorena zu sein. Als Lorena geliebt zu werden.
Jason …
Warum musste es so schwierig sein? Was hatte sie getan, um diesen Fluch zu verdienen? Woher kam er? Und gab es eine Möglichkeit, ihn loszuwerden? Damals an der Highschool hatte sie gedacht, sie habe wieder alles im Griff. Ab und zu eine Verwandlung, ansonsten hatte sie normal gelebt. Soweit man es als normal bezeichnen konnte, keine Familie mehr zu haben und in einem fremden Land bei einer Tante zu leben.
So viele Fragen, auf die sie keine Antwort wusste. So widmete sie ihre Aufmerksamkeit lieber wieder ihrem Irish Stew und versuchte, die Tränen zu ignorieren, die ihr lautlos über die Wangen rannen.
Lorena schaffte es, den ganzen Abend daheim zu verbringen, auch wenn sie wie ein gefangener Tiger immer wieder vom Wohnzimmer in den Flur und wieder zurück ging. Sie fand keine Ruhe, doch sie traute sich auch nicht, das Haus zu verlassen. Wenn sie sich irgendwo draußen wandelte, dann würde sie wieder die Kontrolle verlieren. Hier drin war sie einigermaßen sicher.
Sicher vor sich selbst?
Nein, vor diesem Wesen in ihr!
Das bist auch du.
Nein! Das ist nicht möglich. Der Nachtmahr ist zügellos, wild und böse!
Sind wir das nicht alle ein wenig? Sehnen wir uns nicht danach, auch diese Seite zeigen zu dürfen?
Nein!
Sie schaltete den Fernseher ein, doch keinem der Programme gelang es, ihre Aufmerksamkeit wenigstens so auf sich zu ziehen, dass sie ihre inneren Monologe unterbrach. Zum Lesen fand sie schon gar keine Ruhe.
Dem Kater wurde es zu viel. Er erhob sich und machte sich durch das Badezimmerfenster davon.
Nicht einmal Finley war bereit, ihren Fluch mit ihr zu teilen. Lorena sah auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten. Sie drehte noch eine Runde durch die Wohnung und versicherte sich, dass der Riegel vorgeschoben und der Strom eingeschaltet war.
Vor Jahren hatte sie herausgefunden, dass sie in der Gestalt des Nachtmahrs sehr empfindlich
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