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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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vollbracht war.
    Ich riss die Augen auf und weidete mich an dem Bild im Spiegel. Ich drehte mich und wiegte die Hüften. In jener Nacht wollte ich Daniel besuchen. Er hatte mich verschmäht und mit diesem verächtlichen Blick bedacht. Nun sollte er um meine Küsse wimmern und sich mir zu Füßen werfen!
    Der Gedanke zauberte ein Lächeln in das schöne Gesicht, dessen Augen so kühl mein eigenes Spiegelbild musterten. Das Gedankenkarussell war zum Stillstand gekommen. Es quälten mich keine Schuldgefühle mehr und keine Traurigkeit. Auch die verletzenden Worte meines Vaters ließen mich kalt. Die Nacht erwartete mich!
    Ich schnitt meinem Spiegelbild noch eine letzte Grimasse, dann wandte ich mich ab und trat ans Fenster.
    Es war geschlossen. Besser gesagt, es war verschlossen! Ich wusste nicht, wann das geschehen war, jedenfalls sah ich den Riegel mit dem Schloss das erste Mal. Man konnte das Fenster nun nur noch kippen, um frische Luft hereinzulassen, es jedoch nicht mehr so weit öffnen, dass ich hindurchschlüpfen hätte können.
    Das konnte nicht sein. Erst neulich war ich so in den Garten gelangt … nun gut, das war schon ein paar Wochen her, aber das tat nichts zur Sache. Seit ich mich das erste Mal gewandelt hatte, hatte ich so einfach und unbemerkt das Haus verlassen und wieder betreten. Nun war mir dieser Weg versperrt.
    So leicht gab ich mich jedoch nicht geschlagen! Es würde sich in der Werkzeugkiste meines Vaters schon etwas finden, das mit diesem Riegel fertigwerden sollte!
    Ich eilte zur Tür. Der Schlüssel lag auf dem Boden. Ich hob ihn auf und versuchte, ihn ins Schloss zu schieben, aber da steckte bereits ein Schlüssel von der anderen Seite.
    Wie war das möglich? Ich rüttelte an der Klinke. Das durfte doch nicht wahr sein. Hatte mein Vater mich eingeschlossen? Warum? Er ahnte doch nichts von meinen nächtlichen Ausflügen. Oder konnte es Großmutter gewesen sein? Hatten sie vorhin das hier gemeint?
    Ich war fassungslos, doch wie ich es auch drehte und wendete, ich kam nicht aus dem Zimmer heraus, ohne das Fenster oder die Tür zu zertrümmern, was natürlich meinen Vater auf den Plan gerufen hätte. Allein die Vorstellung ließ mich zurückzucken.
    Nur zu! , rief ein Teil in mir. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn er einmal mit eigenen Augen sehen würde, was alles in seiner missratenen Tochter steckt!
    Etwas flüsterte mir zu, dass das seine Abneigung mir gegenüber nicht heilen würde – trotz des übernatürlichen Charmes und der Schönheit, über die ich in dieser Gestalt verfügte. Nein, bei meinem Vater würden die Zauberkräfte vermutlich versagen.
    Ich ließ mich aufs Bett fallen. Was nun? Ich konnte doch nicht die ganze Nacht über rumsitzen? Und doch blieb mir nichts anderes übrig.
    Um ein Uhr war der Spuk vorbei, und ich war wieder nur die dicke, unglückliche Lorena, die ihre halbe Familie ausgelöscht hatte. Ein Monster!
    Durch und durch ein Monster.
    Lorena blinzelte und sah ein wenig ungläubig auf das Geschriebene. Sie las die letzte Seite noch einmal durch.
    Der Riegel am Fenster und die verschlossene Tür genau zu Neumond, das war kein Zufall. Das konnte nur eines bedeuten: Jemand wusste von ihrer Natur. Jemand kannte den Nachtmahr in ihr … Doch warum hatte keiner je mit ihr darüber gesprochen? Weder ihr Vater noch ihre Großmutter hatten eine Andeutung gemacht.
    Lorena dachte nach. Was war dann passiert? Großmutter war tatsächlich wieder in ihr eigenes Haus zurückgekehrt.
    »Ich komme dich bald besuchen«, hatte sie beruhigend gesagt und Lorena an sich gezogen. »Du bist nicht allein. Du kannst mich jederzeit anrufen, und wenn du mich brauchst, dann komme ich.«
    So blieb es. Großmutter kam zwar regelmäßig zu Besuch und übernachtete auch ein paar Tage, aber sie blieb nie wieder so lange am Stück wie nach Mamas Tod.
    Dann war es ihr Vater gewesen, der Bescheid gewusst hatte und von nun an verhinderte, dass sie in Gestalt des Nachtmahrs das Haus verließ?
    Lorena seufzte. Zu spät. Die Erkenntnis kam viel zu spät. Warum nur hatte er nie mit ihr darüber gesprochen? War ihm ihr Geheimnis zu widerlich erschienen, um es anzusprechen? Hatte er sie deshalb so verabscheut, dass er es nicht mehr über sich brachte, seine eigene Tochter in die Arme zu nehmen? Sie, die so viele Jahre Papas Liebling gewesen war und von der er nie genug bekommen hatte, bis Lucy geboren worden war.
    Lorena spürte einen brennenden Schmerz in der Magengegend und drückte sich die Handflächen

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