Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
vermisst! Vielleicht kommen wir dann mit den Motiven weiter. Und bekommen eventuell ein paar Verdächtige.«
»Ein paar? Lieber Gott, nein! Mir ist ein Verdächtiger eigentlich schon zu viel«, kommentierte Ritter die Erwartungen Walter Dreyers.
Unbeeindruckt fuhr der fort: »Übrigens, auch wenn der Tierdoktor nichts mitbekommen hat – andere könnten sehr wohl Tierverstümmelungen bemerkt haben.«
»Ja?« Judith Brunner wartete.
»Jäger. Förster. Denkt doch mal an Wildtiere. Und dann die Schlachter, die über die Höfe reisen. Wer weiß, was denen so unters Messer kommt.«
»Richtig. Da kommen aber allerhand Leute zusammen.«
»Ich kann gerne ein bisschen rumtelefonieren. Und so viele sind das nun auch wieder nicht. Förster und Schlachter gibt es nur in sehr übersichtlicher Anzahl in unserer Gegend«, versuchte Walter Optimismus zu verbreiten.
Ritter nahm das dankbar auf und lästerte: »Bei den Jägern spricht es sich sicher rum, wenn jemand auf Wildsau steht oder mit einem Reh kopu –«
»Halt!«, rief Judith Brunner und warf ihm einen strafenden Blick zu. »Mehr will ich nicht hören.« Die Jagd gehörte ohnehin nicht zu den von ihr geschätzten Freizeitbetätigungen, und sogenannte Jagdsportler konnte sie erst recht nicht ausstehen. Aber noch weniger wollte sie sich einen Jäger und ein Waldtier intim vorstellen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und sah Ritter freundlich an: »Wenn Sie mit dem Pfarrhaus und dem Garten fertig sind, wäre es schön, wenn die Fotos noch heute entwickelt werden könnten. Legen Sie mir die Abzüge einfach auf meinen Schreibtisch im Büro. Ich hole sie mir morgen ab.«
»Wird erledigt. Was ist mit den Münzen? Soll ich die nicht auch gleich untersuchen? Mein Sonnabend ist sowieso im Eimer.«
Judith Brunner nahm das Angebot ungeniert an. »Die Münzen sahen eigenartig aus, eher wie Spielgeld aus einem Kaufmannsladen für Kinder.«
Ritter nickte. »Ich denke auch, die sind unecht. Blech. Aber ich will da lieber auf Nummer sicher gehen. Makellos sauber waren sie auch nicht. Der Dreck könnte uns allerhand Hinweise geben. Vielleicht haben wir sogar Glück mit Fingerabdrücken.«
»Danke. Na los, machen Sie sich an die Arbeit!«
Ritter verabschiedete sich und wünschte Walter Erfolg bei seiner Suche nach dem Hundehalter. »Ich lasse eventuell heute noch von mir hören«, kündigte er im Rausgehen an.
Allein mit Judith, wartete Walter, bis er sicher sein konnte, dass Ritter nichts vergessen hatte und zurückkam. Dann drückte er ihr einen Kuss in den Nacken und fragte: »Kommst du nachher mit, den Hundebesitzer suchen?«
Judith schüttelte den Kopf. »Wir sollten uns die Arbeit teilen. Deine Idee war gut und ich werde schon mal mit den Telefonaten bei den Förstern anfangen. Die kennen sich bestimmt auch mit den Jagdgemeinschaften aus und könnten mir ein paar Namen geben. Du kannst dich sofort auf den Weg machen. Mir ist es lieber, du findest so schnell wie möglich heraus, wem das Tier gehörte. Ich habe den Eindruck, wir sollten keine weitere Zeit verlieren.«
~ 8 ~
Walter Dreyer überlegte. In Waldau gab es genau vier Schäferhunde.
Einer wurde unten, auf dem großen Hof, links an der Landstraße in Richtung Engersen, in einem Zwinger gehalten. Das alte, zweistöckige Wohnhaus war für drei Mieter ausgebaut worden. Der ehemalige Hauseingang führte nun zur Mittelwohnung; links und rechts befanden sich in den Giebelwänden des Backsteingebäudes eigene Zugänge für die abgeteilten neuen Wohnungen.
Zwar gab es dort keine Reichtümer zu bewachen, doch die Mieter der linken Wohnung, zwei gut aussehende, handfeste Brüder Anfang der Dreißiger, hielten den kläffenden Hofhund nicht von ungefähr. Ihren Charme ließen Gabriel und Sebastian Fischer nämlich schon mal bei den Frauen anderer Männer spielen und hatten damit oft Erfolg. Allerdings provozierte das auch den einen oder anderen Kinnhaken; von zerstochenen Motorradreifen oder einem durch das Kellerfenster entleerten Gülletank ganz zu schweigen. Keiner hatte jemals etwas bemerkt oder gesehen, und Walter Dreyer vermochte es nicht, die Vorfälle aufzuklären. Nachts, und wenn die beiden außer Haus waren, wurde nun also der Schäferhund an einer langen Kette laufen gelassen. Wenn Dreyer einen Tipp hätte abgeben müssen, wäre der Hund dieser Männer für eine grausige Botschaft sehr wohl infrage gekommen. Allerdings glaubte Walter Dreyer sich zu erinnern, dass die beiden Brüder einen Rüden
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