Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Er bewirtete gern Gäste, und seine Speisekammer nebst Keller schienen unendliche Vorräte deftiger Delikatessen zu bergen. Je ein Glas Blut- und Leberwurst, eine gut abgehangene Schlackwurst und eine Schüssel Zwiebelschmalz verströmten einen appetitlichen Duft in seiner Küche. Aufgeschnittene Tomaten und Gurken aus seinem Garten, Roggenbrot, Butter und ein Handkäse vervollständigten das rustikale Angebot. Sie saßen zu viert um den großen Holztisch und genossen, wechselseitig die schmackhafte Auswahl lobend, die kalte Mahlzeit. Es gab Bier, Obstsaft oder Wasser zum Trinken; nachdem der größte Hunger gestillt war, bot Walter Dreyer Kaffee an.
»Danke. Einen großen Pott bitte. Ich wusste gar nicht, dass ich solch einen Hunger hatte«, bekannte Ritter mit staunendem Blick auf die spärlichen Reste des Essens.
»Ha! Was ist über Nacht mit dir passiert?«, wollte Walter Dreyer von seinem Freund wissen, dessen ungeheurer Appetit ihm schon immer Anlass für spöttische Bemerkungen geboten hatte.
»Sehr witzig!«, murmelte Ritter mit vollem Mund und lächelte selig dabei.
Ritters Mitarbeiter blieb weiter stumm, machte rasch noch ein paar Stullen für seinen Kollegen fertig, schnappte sich eine Flasche Bier und ging zum alten Pfarrhaus.
»Ich sammle euch nachher ein und wir fahren zusammen zurück!«, rief Ritter ihm nach. Die gebrummte Antwort war nicht zu verstehen, klang aber nach Zustimmung.
Wilhelmina erschien, um den Besuch zu begutachten, und bekam ihren Teil von den Vorräten in Form einer in kleinste Häppchen geschnittenen Leberwurststulle ab. Nachdem sie ein paar Bröckchen hintergeschlungen hatte, ging sie wieder ihrer Wege.
Walter Dreyer brühte den Kaffee direkt in großen Keramiktassen auf, brachte sie zum Tisch und stellte eine Flasche Milch aus dem Kühlschrank dazu. »Wie machen wir nun weiter?«
Ehe jemand antworten konnte, hörten sie ein Klopfen an der Haustür.
»Hallo? Ich bin zurück!«, rief Laura in den kleinen Hausflur und trat einen Augenblick später in die Küche. »Oh. Du hast Besuch. Entschuldige bitte. Ich wollte nicht stören.«
»Unsinn. Du störst nicht«, schimpfte Walter galant. Laura sah etwas mitgenommen aus.
»Möchtest du vielleicht einen Happen essen? Ich kann auch noch etwas anderes dazu holen.«
Thomas Ritter kannte Laura Perch von ihrer gelegentlichen Mithilfe bei früheren Ermittlungen und er wusste, dass sie Archivarin war, berufsbedingt überwiegend in Berlin lebte und seine Chefin bei ihr im geerbten Haus in Waldau zur Miete wohnte. Walters Beziehung zu ihr, von der sein Freund stets behauptete, lediglich seit Kindertagen ihr väterlicher Freund zu sein, verfolgte er mit gespanntem Interesse. Aufmerksam stand Ritter auf, um die sympathische Frau zu begrüßen.
»Tut mir leid«, musste Laura die freundlich angebotene Hand unter Verweis auf ihre Verletzung ablehnen, »ich bin mit dem Fahrrad gestürzt.« Inzwischen sah die Wunde irgendwie schlimmer aus als unmittelbar nach dem Sturz, die Hand war geschwollen und schmerzte.
»Verdammt! Zeigen Sie mal her«, forderte Ritter resolut, griff Lauras Unterarm und besah sich die Abschürfungen. »Das muss sofort gereinigt werden.« Er zog Laura, ohne Widerworte zuzulassen, zum Wasserhahn über dem Spülbecken und hielt ihre Hand unter das kalte Wasser. Als ein Reflex sie zurückzucken ließ, hielt er sie am Arm fest. Nach dem anfänglichen Schreck linderte das kühle Nass tatsächlich den Schmerz.
Walter, der ebenfalls besorgt nach Lauras Hand sehen wollte, wurde von Ritter weggeschickt. »Hol du mal lieber deinen Verbandskram.«
Wenige Minuten später war Lauras lädierte Hand gereinigt, desinfiziert und verbunden. Tatsächlich fühlte sie sich etwas besser.
Judith hatte Laura mitfühlend angelächelt und bereits angefangen, ihr eine Stulle zu schmieren. »Hätten Sie vielleicht noch eine weitere Tasse für Laura? Ein starker Kaffee tut ihr sicher gut«, bat sie Walter in gespielter Distanz, denn Ritter sollte unter keinen Umständen mitbekommen, dass sie sich in dieser Küche sogar in den Schränken auskannte.
»Nein, danke«, lehnte Laura ab. »Ich wollte wirklich keine Umstände machen. Habt ihr hier dienstlich zu tun?«, vermutete sie angesichts Ritters Anwesenheit, klang jedoch, als hätte sie nichts gegen die Mitteilung von ein paar Interna einzuwenden.
Niemand setzte zu einer Erklärung an.
»Ich verschwinde besser gleich wieder, denn ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich geschafft von meinem
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