Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
unerwartet anstrengenden Radausflug. Etwas zu Essen nehme ich mir aber gern mit rüber. Vielen Dank, Judith. Und besonders Ihnen, Herr Ritter, danke für die Fürsorge.«
»Kein Problem. Die Hand wird wahrscheinlich heute Nacht und morgen noch weh tun. Aber dann müsste es eigentlich besser werden. Wenn nicht, sollten Sie zum Arzt gehen.«
Das war ein Vorschlag, der nicht so einfach umzusetzen sein würde, denn der langjährige Arzt hatte seine Praxis in Waldau aufgegeben und war weggezogen. Ein neuer hatte sich noch nicht gefunden. Landärzte waren offenbar rar. Es blieb also zu hoffen, dass die Verletzung rasch und auch ohne ärztlichen Beistand heilen würde.
Laura nahm den üppig bestückten Teller mit Proviant in die linke Hand und wandte sich zum Gehen.
»Ich bring dich rasch nach Hause.« Walter hielt ihr die Tür auf. »Soll ich das nicht besser tragen?«
Laura überließ ihm gerne den Teller und forderte schon im Hausflur neugierig: »Erzähl mal, was passiert ist. Ihr sitzt doch da nicht zufällig am Samstag rum!«
Walter schaffte es während der wenigen Schritte zu Lauras Haus gerade so, eine Kurzform der Ereignisse zu bieten.
Laura war perplex. »Ein Hund wurde ermordet, um als Botschaftsüberbringer zu dienen?« Ihre Niedergeschlagenheit war wie weggeblasen. Die Sorgen um ihre Kamera und ihre schmerzende Hand wurden klein im Vergleich zu der angedeuteten Geschichte.
Walter war sich nicht sicher, ob man auch für Tiere den Begriff des Mordes anwenden konnte. Doch eigentlich hatte Laura recht. »Ruh dich erst mal ein bisschen aus und iss was. Ich muss wieder rüber.« Er versprach, später Zeit für sie zu haben. »Dann erzähl ich dir alles ausführlicher.«
»Seit wann bist du eine Schwester Nightingale?«, wollte Walter Dreyer als Erstes von Thomas Ritter wissen, als er nach fünf Minuten wieder zurück in seine Küche kam. »Der Verband sah ja richtig professionell aus!«
Ritter kaute immer noch, schluckte rasch runter und sah seinen Freund mit gespielter Überraschung an. »Kann das nicht jeder? Wie will man sonst an seine Fahrerlaubnis kommen? Bei der Fahne kommst du auch nicht drumrum, das zu lernen. Und erinnere dich bitte an unsere gemeinsamen Lehrgänge. Mit diesem Erste-Hilfe-Zeug wurden wir doch ständig belästigt. Da müsste im Laufe der Zeit selbst bei dir etwas hängen geblieben sein.« Dann feixte er anzüglich. »Nur keine Sorge. Ich betrete kein verbotenes Terrain.«
Was? Herrje! Walter seufzte unmerklich. Ritter vermutete in seiner engen Beziehung zu Laura offenbar mehr als gute Nachbarschaft. Was ja auch stimmte, wenn auch nicht in der Weise, die Ritter unverkennbar vor Augen hatte. Schön. Und wenn es half, seine Liebe zu Judith zu tarnen – warum den barmherzigen Samariter aufklären? »Ha, ha«, grinste Walter zurück. »Ich hab dich nur noch nie so in Aktion gesehen.« Er prostete Ritter mit seinem Kaffeepott zu und wurde wieder ernst. »Wie machen wir nun mit dem Hund weiter?«
Beide Männer sahen Judith Brunner an. Sie war die Chefin, also hatte sie das Sagen.
»Ganz einfach«, schlug sie vor. »Wir klären schleunigst auf, was das Ganze bedeuten soll. Hier treibt jemand ein blutiges Spiel. Ich hoffe inständig, dass Dr. Renz nicht recht behält und wir noch vor einer Eskalation die Lösung des Problems finden.«
»Geld. Sex. Verachtung«, murmelte Walter Dreyer vor sich hin. »Und ein Tier, aber nicht irgendein Tier …«
Ritter unterbrach ihn: »Das einzige Tier, das ich kenne, bei dem ein Schwanz und Geld eine Rolle spielen, ist der Goldesel aus Grimms Märchen. Allerdings fallen bei dem die Münzen aus dem Arsch, wenn man den Schwanz anhebt. Man muss nur die Zauberworte wissen.«
»Deine Belesenheit in allen Ehren«, parierte Walter Dreyer, »doch ich bin überzeugt, der Schwanz im Bauch dieser Hündin bedeutet genau das, wonach es aussieht: kranker Sex, sehr kranker Sex.«
Ritter reagierte nicht empfindlich. »Das ist mir auch klar, Walter. Mir gefallen bloß meine eigenen Gedanken nicht. Egal wie ich es betrachte, ich komme zu keinem Happy End. Wenn du verstehst, was ich meine.«
Walter Dreyer stand auf und begann, den Tisch abzuräumen.
»Geld und Sex sind ja nicht unbedingt Motive aus der Welt der Märchen und Fabeln«, griff Judith Ritters Bemerkung auf. »Was ist mit Prostitution? Oder mit Zuhälterei, um eine näherliegende Perspektive zu erwähnen?«
Dreyer nickte. »Ich sollte rasch den Besitzer des Hundes ermitteln. So ein Haustier wird doch
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