Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
mit Judith beraten. Das Ereignis würde sich irgendwann im Dorf herumsprechen, doch hier Details zu verbreiten war nicht vonnöten und vielleicht auch nicht hilfreich. »Das Auffinden des Hundes war mit einer Nachricht verbunden, der die Polizei nachgehen möchte.«
»Wo, ich meine wo –«, versuchte Margarethe Boll zu fragen.
»Melli wurde vor dem alten Pfarrhaus gefunden.«
»Bei der alten Zabel? Was soll das denn!« Rudolf Boll klang ruppig.
Margarethe Boll sagte, mit kaum beherrschter Stimme: »Das meinte ich nicht. Wo ist Melli jetzt? Wann bekommen wir sie zurück?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Sie ist inzwischen beim Tierarzt in Kakerbeck. Dr. Harmsen hat sie abgeholt. Vielleicht kennen Sie ihn ja?«
Die Geschwister schüttelten leicht die Köpfe.
»Er muss Ihren Hund nun erst einmal untersuchen und meldet sich dann bei mir. Ich gebe Ihnen natürlich sofort Bescheid, sobald ich etwas mehr erfahren habe.«
Walter Dreyers Worte hatten allerdings nicht die von ihm erhoffte beruhigende Wirkung.
Das Gesicht von Rudolf Boll verzog sich zu einer gefährlichen Grimasse. »Sie erzählen mir also, meine Melli wurde gekillt und dann bei dieser alten Schachtel gefunden. Mit einer Nachricht!? Und jetzt schnippelt sie der Viehdoktor auf. Und die Polizei ermittelt.« Rudolf Bolls Tonfall wurde immer aggressiver. »Ich bin nicht blöd, Dreyer. Wenn hier ein Irrer rumläuft, finden Sie ihn besser schnell. Sonst kümmere ich mich darum.«
~ 9 ~
Judith Brunner saß in Walter Dreyers Büro und tippte einen Bericht, der allerdings kurz ausfallen würde, denn sie hatte nichts erreicht. Weder bei den Forstämtern noch bei den Jagdgemeinschaften hatte sie per Telefon brauchbare Hinweise bekommen.
Ein Gespräch war sogar etwas unangenehm verlaufen. Der Mann, Vorsitzender einer Jagdgemeinschaft, fühlte sich von ihren Fragen angegriffen. Judith Brunner hatte sofort den Eindruck gewonnen, dass er vom Frühschoppen nahtlos zum Feierabendbier übergegangen war. Auf jeden Fall war er nicht nüchtern. Mit lallender Zunge empörte er sich: »Na hör’n Se! Immer wedder diese blöden Geschichten von Bauern, die es mit ihre Tiere treiben. Wird det nicht irjendwann langweilig?«
»So habe ich das nicht gemeint«, hatte Judith Brunner überzeugend versichern können und sich für das vermeintliche Missverständnis entschuldigt, bevor ihr Gesprächspartner auflegen konnte. »Ich benötige dringend Ihre Hilfe. Sie sind Jäger. Da beobachten Sie doch viel mit Ihrem Fernglas und bemerken vielleicht das eine oder andere«, versuchte sie ihm gut zuzureden.
»So ein Schweinkram aber nich’! Hier quält auch keiner Tiere«, verwahrte sich der Mann erneut.
»Was ist mit Verstümmelungen?«, beharrte Judith Brunner. »Postmortal.«
»Hä?«
»Wenn die Tiere schon tot sind.«
Einen Moment blieb es ruhig, bis der Jäger antwortete: »Absichtlich nich’.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, manche Anfänger stümpern rum beim Zerlegen des Wildes. Det könnte man schon als Verstümmeln bezeichnen.«
Ein Anfänger war beim Schäferhund vor Waltraud Zabels Haustür ganz sicher nicht am Werke gewesen, das stand für Judith fest. Sie tippte die letzten Sätze und beschloss, nach Hause zu gehen. Walter war ohnehin noch nicht zurück. Laura könnte vielleicht Gesellschaft brauchen. Nach Hause gehen ... Bei dem Gedanken musste Judith lächeln, denn Walters Büro gehörte inzwischen auch irgendwie zu ihrem Zuhause. Nur ein kurzer Weg führte sie bis zum übernächsten Haus, in dem sie sich nun schon seit einer kleinen Ewigkeit sehr wohl fühlte.
In ihrer Küche saß Laura im Sessel am Fenster und kraulte, etwas ungeschickt, mit der verbundenen Hand Wilhelmina den Nacken. Die Katze saß auf der Sessellehne und schnurrte laut. Mit der freien Hand blätterte Laura in einer Zeitschrift zum modernen Wohnen und es sah aus, als entschieden sie und die Katze sich gemeinsam für ein neues Einrichtungskonzept. Auf dem Fensterbrett dampfte eine Tasse und der Duft ließ darauf schließen, dass sich Laura erst vor ein paar Minuten einen Kakao gekocht hatte.
»Hallo«, grüßte Judith schnuppernd. »Da mache ich mir auch gleich noch einen Becher. Ich kann eine heiße, süße Stärkung gut gebrauchen.«
Laura war erfreut, dass ihre Freundin etwas Zeit mitbrachte. Endlich könnte sie mehr erfahren als die wenigen Andeutungen, die Walter ihr gemacht hatte.
Die Frauen nahmen ihre Getränke und gingen hinaus auf die Gartenterrasse. Hier
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