Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
werden.«
»Verstehe. Sie können sich auf mich verlassen ... Mein Gott, das Mädchen, sie sah so ... so überrascht aus. Wie bringt ein Kerl nur so etwas fertig?« Windisch war völlig erledigt.
»Gehen Sie nach Hause.« Judith Brunner hatte Verständnis für die Stimmung des Mannes. »Melden Sie sich bei Hauptmann Resch ab und gehen Sie!« Das klang schon fast wie ein Befehl.
Karsten Windisch wirkte unentschlossen und sah sie nicht einmal an.
Judith Brunner versuchte es weiter: »Das verkraftet niemand ohne Weiteres.«
Nun wirkte ihr Zureden und er ging mit hängenden Schultern davon.
Im Umdrehen sah Judith Brunner, wie die Wagen der Spurensicherung ankamen und hielten.
Aus dem ersten sprang Thomas Ritter. Er kam sofort auf sie zugestürzt. Sie begrüßten sich verhalten, wissend, dass ihnen ein schwerer Gang bevorstand.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Ritter. Er wollte sich innerlich vorbereiten. Seiner Erfahrung nach konnte er besser mit grausamen Bildern umgehen, wenn andere sie ihm vorher beschrieben hatten.
»Furchtbar. Das Mädchen ist noch so zart. Sie wurde erwürgt. Und vergewaltigt. Mit einem Fremdkörper.«
Ritter musste tief durchatmen. Er blinzelte in die Sonne und ballte dann ein paar Mal seine Hände zu harten Fäusten. »Na los, sehen wir mal, was wir alles finden können.«
Judith Brunner führte ihn zunächst zur Papiertüte am Straßenrand. Es war eine typische Verpackung von Lebensmitteln. Viele Dorfläden verwendeten diese graugrünen Tüten mit dem schwarzen Aufdruck »Esst mehr Obst und Gemüse« . Sie lag einen Meter neben den Pflastersteinen, und einige Kamillenblüten, Lindenblüten und feingliederige Blätter, die Judith Brunner nicht erkannte, waren herausgefallen. »Sie wollte für einen Kräutertee sammeln«, erklärte sie.
Ritter rief einen seiner Leute zu sich, der mit dem Fotografieren begann. Ein Zweiter kam mit allerhand Utensilien dazu. Sie wussten, was zu tun war.
An der Einmündung des Feldweges deutete Judith Brunner auf das in einiger Entfernung liegende Löschblattheft. »Das gehörte ihr auch. Damit wollte sie Feldblumen pressen.«
Ritter blieb stehen und besah prüfend den Weg. Im trockenen Sand waren viele Spuren erkennbar. Welche wohl zu dem Verbrechen gehörten? »Wie viele Leute von uns sind hier lang? Wissen Sie das?«
Judith Brunner überlegte. »Der junge Polizist, der sie gefunden hat. Die Staatsanwältin. Und ich.«
Skeptisch blickte Ritter auf den Boden und hockte sich hin. Er ging fast in den Liegestütz und sah den Weg entlang. Locker sprang er wieder auf. »Ich brauche die Sohlenprofile von allen.«
Judith Brunner nickte. Sie würde mit daran denken.
Sich am äußersten Feldrand haltend, gingen sie auf das im Staub liegende Sammelheft zu. Es lag aufgeschlagen, mit dem Rücken nach unten vor ihnen. Die herausgefallenen Stängel von verschiedenen Blümchen waren inzwischen verwelkt. Judith Brunner erkannte so viele gepflückte Nachtnelken, dass sie einen hübschen kleinen Strauß ergeben hätten.
Ritter winkte zur Straße zurück und bedeutete seinen Mitarbeitern gestikulierend, dass hier weitere Arbeit auf sie wartete.
Nach einigen Schritten erreichten sie die Stelle, wo die erste Spur in das Getreidefeld führte. Die Halme waren immer in Schrittlänge niedergetreten. Eindrücke im Erdboden waren kaum zu sehen. »Er muss sie getragen haben. Es führt nur eine Spur ins Feld. Seine«, schlussfolgerte Ritter.
Am Fundort angekommen, erstarrte er förmlich. Judith Brunner dachte, dass sie den Mann noch nie so bestürzt gesehen hatte.
Ritter musste sich ein paar Mal räuspern, bevor er heiser sagen konnte: »Dann werde ich mich mal an die Arbeit machen.«
»Ich habe Sie auch schon bei der Tante des Mädchens angekündigt. Wir müssen Ilona Eichners Zimmer gründlich unter die Lupe nehmen ... Und Dr. Renz müsste eigentlich auch jeden Moment erscheinen.«
Die Erwähnung des Rechtsmediziners war für beide ein willkommener Anlass, ihren Blick von dem Mädchen wieder zur Straße zu wenden. Wie aufs Stichwort sahen sie sein Auto anhalten, gefolgt von einem langen, schwarzen Wagen eines renommierten Gardelegener Bestattungshauses.
Dr. Renz wartete, bis Judith Brunner und Thomas Ritter bei ihm angekommen waren. »Schade, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen«, fiel seine Begrüßung betont zurückhaltend aus. »Wann kann ich zur Leiche?«, wandte er sich dann direkt an Ritter. Die Männer begannen, ihre Arbeit abzustimmen.
Judith
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