Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
Vom Netzwerk:
eines Ausfluglokals entführt und missbraucht worden war. Zwei Tage später hatten Wanderer die Leiche des Kindes gefunden. Der Täter, ein unmittelbarer Nachbar des Jungen, saß im Gefängnis und kam für das Verbrechen an Ilona Eichner nicht infrage. Natürlich wusste Walter von Vergewaltigungen, kannte sogar ein paar Opfer und einige Sexualstraftäter, die hier im Kreis wohnten; er war sich auch der Dunkelziffer bewusst. Doch dieses Verbrechen? Nachdenklich schüttelte Dreyer den Kopf. »Wen kennt man schon so genau? Allerdings werde ich nachher ein paar Hausbesuche machen«, kündigte er freudlos an.
    »Vielleicht ist da auch nur was aus dem Ruder gelaufen? Sollte nur ein bisschen Fummelei unter Teenies werden und dann verlor jemand die Kontrolle«, spekulierte Grambow.
    Dem konnte Walter Dreyer nicht folgen. »Der Schlauch deutet eindeutig auf Vorsatz hin, denke ich.«
    Ernst Grambow nickte und ging zu seinem Auto. »Ich sehe besser mal bei Mirow vorbei.«
    Dreyer horchte auf. »Genau! Soll ich mitkommen?«
    Lothar Mirow war eines der Sorgenkinder der Ortspolizisten, ein blasser, dünner, junger Mann von Mitte zwanzig, der schon als Kind etwas zurückgeblieben gewirkt hatte. Er wohnte in Engersen, allein, auf dem Hof seiner verstorbenen Großeltern. Mirows Eltern hatten ihn dorthin in ›Pflege‹ gegeben, wie sie es nannten; sie wollten mit dem Jungen nichts zu tun haben. Walter Dreyer wusste aus eigenem Erleben, dass Mirows extreme Scheu vor erwachsenen Menschen für einige der Dorfbewohner Grund genug war, um ihm mit großem Misstrauen zu begegnen. Kaum war etwas Polizeirelevantes vorgefallen, konnten die Ortspolizisten darauf wetten, dass jemand Lothar Mirow anzeigte. Grundlos. Der Mann hatte sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Einzig seine naive Art machte ihn verdächtig. Einige hielten ihn für beschränkt, »trüch«, wie man in der Altmark sagte. Bei wohlwollenderen Zeitgenossen galt er als eigenbrötlerisch. Seine auffällige Freundlichkeit Kindern gegenüber tat ein Übriges, um alle gängigen Vorurteile zu beflügeln. Zu ihnen hatte er schnell Kontakt und gewann rasch ihr Vertrauen. Jetzt, bei einem toten Mädchen, stand Mirow zweifellos wieder im Mittelpunkt vieler Verdächtigungen.
    »Das wird nicht nötig sein. Ich werde schon fertig damit. Aber Mirow hat bestimmt auch mal mit Ilona gesprochen. Ich will nur vermeiden, dass jemand im Dorf auf dumme Gedanken kommt«, begründete Grambow sein Vorhaben.
    »Ruf mich an, sobald du mich brauchst. Du erreichst mich ja immer über mein Büro«, rief Walter ihm noch zu und machte sich ebenfalls auf den Weg.
     
 
    ~ 19 ~
     
Sonntags machte Waldau oftmals einen ausgestorbenen Eindruck. Heute war das anders. An vielen Ecken standen die Bewohner in kleinen Gruppen beieinander und diskutierten lebhaft. Niemand war nach lachen zumute. Als Walter Dreyer die Waldauer Dorfstraße hinauffuhr, sah er vom anderen Ende des Dorfplatzes jemanden mit großen Schritten um die Ecke kommen und energisch auf sein Haus zuhalten. Er erkannte Rudolf Boll.
    Kaum hatte er angehalten, ging der Mann auf ihn los. »Stimmt das, Dreyer? Ein Mädchen ist tot? Missbraucht? Das war dieser Mirow! Da gehe ich jede Wette ein. Wie der schon immer guckt! Der steht doch auf Kinder.«
    Verdammt! Dass es so schnell mit den Anfeindungen ging, hatte Walter Dreyer nicht erwartet. »Nun mal langsam, Boll. Was ist denn in Sie gefahren?«
    »Tun Sie doch nicht so! Sie wissen genau, was ich meine. Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
    Walter Dreyer wusste, dass Boll nur aussprach, was viele andere denken würden. Besser, er hielt gleich von Anfang an dagegen: »Für Ihren Verdacht gibt es keinerlei Hinweise. Und die Ermittlungen haben gerade erst begonnen. Ich versichere Ihnen –«
    Rüde wurde er unterbrochen: »Die Volksrede können Sie sich sparen, Dreyer. Denken Sie doch mal an meinen Hund. Hier läuft ein Perverser rum und den werde ich mir schnappen.«
    »Das werden Sie schön bleiben lassen, Boll! Die Polizei tut alles, was möglich ist, um den Täter zu finden. Und das schnell. Wir brauchen dafür ganz bestimmt nicht Ihre aufgeheizte Empörung.«
    »Das wird sich noch zeigen. Mal sehen, wer das Schwein eher findet.« Tückisch grinsend, wandte sich der Mann zum Gehen.
    Walter Dreyer rief ihm hinterher: »Ich habe das ernst gemeint. Halten Sie sich da raus!«
    Boll winkte, ohne sich umzuwenden, unwillig ab.
     
Dreyer konnte nur hoffen, dass diese Stimmung nicht weiter um sich griff. Er

Weitere Kostenlose Bücher