Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
gerade.«
»Zwischen dem Balkenspruch und dem toten Hund liegen ein paar Hundert Jahre«, erinnerte Laura. »Das eine muss nichts mit dem anderen zu tun haben.«
»Das ist schon richtig«, sagte Judith, »aber dann ist da noch dieser Zinken. Was ist, wenn der was mit dem Ganzen zu tun hat?«
»Oder wenn der Spruch jemandem passend schien, seine ohnehin wenig subtile Botschaft zu unterstreichen«, spekulierte Walter. »Nicht zu vergessen, dass der Schäferhund von Bolls Hof stammte und ich dort ebenfalls eine Balkeninschrift gesehen habe. Laura und ich sollten vielleicht nachsehen gehen, ob dort auch so ein Zeichen angebracht wurde.«
Judith sah auf die Uhr. Sie musste los, zurück in die Dienststelle. »Der Mord an Ilona Eichner hat Vorrang vor allem. Überprüf doch bitte als Erstes diesen Jungen aus Wiepke. Ilona Eichner soll in ihn verliebt gewesen sein«, reichte sie Walter einen Zettel mit einem Namen. »Um diese Diebeszinken und den toten Hund kannst du dich später kümmern. Ruf mich an, wenn du zur Schäferei hoch gehst. Dein Büro besetzen wir dann wieder mit einem der Leute von der Bereitschaftspolizei. Ich organisiere das von Gardelegen aus.«
Walter war es recht. »Lisa Lenz könnte mir die Diebstahlsanzeigen der letzten Monate raussuchen. Vielleicht ergibt sich so eine Spur, der ich noch nachgehen könnte.«
~ 30 ~
Wachtmeister Ingo Grille ahnte, was ihm bevorstand, als er am späten Nachmittag von seinem Platz am Einlass aus seine Chefin die Dienststelle betreten sah. Ihr Verhältnis war von Beginn an belastet, da sie eine andere Auffassung von Pflichten und Verantwortung im Dienst hatte. Er fand, sie machte zu viel Gewese um manche Dinge. Zugegeben, am Sonnabend hätte er nach dem ersten Anruf vielleicht was unternehmen müssen. Doch das Kind war längst hinüber, als diese Tante anrief. Es hätte also ohnehin wenig gebracht. Na ja, was soll’s. Mitleid mit dem Mädchen fühlte er schon, aber die Polizei kann eben nicht alles verhindern.
Judith Brunner blickte ihm direkt in die Augen, als Grille grüßte. Sie wies ihn dann an, sich für ein Gespräch bereitzuhalten. »Ich erwarte bis Dienstschluss eine schriftliche Stellungnahme von Ihnen, über die wir dann reden. Welche Konsequenzen ihre Pflichtverletzung haben wird, entscheide ich danach.« Sie wartete, bis Grille mit einem kaum sichtbaren Nicken und einem genuschelten »zu Befehl« zu erkennen gab, dass er die Aufforderung verstanden hatte und ging in ihr Büro.
In Kürze wollte sie sich mit ihren weitaus angenehmeren Mitarbeitern zusammensetzen und den Fall Ilona Eichner besprechen. Gab es schon erste Ansätze, um die Ermittlung in eine bestimme Richtung zu führen?
Lisa Lenz kam mit zwei Zetteln zu ihr. »Dieser Arzt von Melli Boll hat sich am Telefon gemeldet, Dr. Wolfgang Harmsen. Er wollte wissen, ob Sie mit seinem Bericht etwas anfangen konnten und ob es noch etwas zu tun gibt.«
Judith musste schmunzeln, denn Lisas Angewohnheit, den Haustieren von Leuten stets Vor- und Zunamen zuzugestehen, fand sie skurril, aber sympathisch. Welchen Familiennamen würde sie wohl Wilhelmina verpassen? Dreyer? Perch? Brunner? Womöglich kam auch Rehse infrage, oder Schuler? Die Katze würde sowieso ihre eigene Auffassung darüber haben und natürlich für sich behalten. Walter hatte Judith einmal ein Gedicht von T. S. Eliot vorgelesen, wonach Katzen drei verschiedene Namen haben: einen gewöhnlichen, den die Menschen ihnen für den Alltag gegeben haben und der von den Katzen sowieso nur hingenommen wird; einen eher künstlerischen, der sie schreiten lässt, mit hoch aufragendem Schwanz, wie es nur Katzen können und den es nur ein einziges Mal gibt; und dann noch einen dritten, geheimen Namen, den nur die Katze kennt und den sie nie preisgibt.
»... oder zur Tierverbrennung soll.«
Oh, ein Moment der Unkonzentriertheit. Judith Brunner ahnte jedoch, dass es dem Tierarzt um den Verbleib des Kadavers ging. »Ich rufe Dr. Harmsen nachher an«, sagte sie zu und nahm Lisa den Zettel mit der Telefonnummer ab.
Lisa übergab ihr auch gleich die zweite Notiz. Sie informierte über einen Anruf von Dr. Renz, demnach an der Leiche von Ilona Eichner keine Spermaspuren festgestellt werden konnten. »Sie möchten ihn zurückrufen, sobald das möglich ist.« Auch hier hatte Lisa zuvorkommenderweise die Telefonnummer notiert, obwohl Judith sie natürlich im Kopf hatte.
»Danke, Lisa. Sagen Sie bitte Dr. Grede und Thomas Ritter Bescheid, wir vier
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