Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
müssen uns im Besprechungsraum treffen. Ich will nur rasch diesen Anruf im Krankenhaus erledigen.« Sie griff sofort zum Telefon und erreichte den Rechtsmediziner offenbar an seinem Schreibtisch, denn schon nach dem ersten Klingeln hob er ab.
Dr. Renz bedankte sich für den Rückruf. »Der war mir noch wichtig. Danach kann ich dann für heute Schluss machen.«
Judith Brunner lächelte ins Telefon: »Ich habe Ihnen zu danken, Dr. Renz. Ich überlege, was ich mit der Information, dass kein Sperma gefunden wurde, alles anfangen kann. Der Täter wird ja nicht erst rücksichtsvoll ein Kondom benutzen und dann brutal einen Gegenstand einführen.«
»Davon gehe ich auch nicht aus. Ich denke eher, es kam gar nicht zum Geschlechtsverkehr ... Sehen Sie, ich habe gleich noch mal ein wenig in der Fachliteratur nachgelesen und da wurde ein Fall beschrieben, auch ein Sexualmord an einem pubertierenden Mädchen, dem der Stiel von einem Holzlöffel in die Scheide eingeführt worden war. Es stellte sich heraus, dass der Täter keinerlei Erfahrungen mit dem Geschlechtsverkehr hatte und versuchte, sich dem Ziel seiner Begierde mittels dieses Gegenstands zu nähern. Er konnte das Mädchen einfach nicht direkt berühren.«
Das war ein neuer Gedanke! »Sollte ich mich besser von unserer These eines Sadisten verabschieden? Denn das würde ja bedeuten, dass der Täter das Mädchen nicht vorsätzlich quälen wollte«, fragte Judith.
»Genau deswegen bat ich Sie um den Rückruf. Ausschließen sollten wir einen Sadisten natürlich nach wie vor nicht, doch es gibt eben auch noch andere Erklärungen für den Fremdkörper.«
Judith Brunner bedankte sich und legte den Hörer gedankenverloren auf. Dann eilte sie zu den anderen in den Besprechungsraum.
Lisa stellte gerade die Tassen auf den großen Tisch, als ihre Kollegen eintrafen. Noch während sie den Kaffee eingoss, fing Ritter an, großformatige Fotos auszulegen.
Judith Brunner warf einen Blick darauf und war sehr angetan davon, denn ihr Mitarbeiter hatte es offensichtlich schon geschafft, sich das Schlauchstück genauer vorzunehmen.
»Ich gebe es nicht gerne zu, doch dieses Teil stellt mich vor Probleme«, gestand Ritter. »Was ich bisher bestätigen kann: Das Fabrikat ist älteren Datums, aber das vermutete Dr. Renz ja bereits. Definitiv ist so etwas schon lange nicht mehr im Handel. Der Schlauch lag also irgendwo ein paar Jahre rum, wenn nicht gar ein paar Jahrzehnte. Länger war er in seiner nutzbaren Form bestimmt auch. Er ist also auf dieses Stück zugeschnitten worden. Wozu? Welchen Verwendungszweck hatte dieses Schlauchstück für den Täter, abgesehen von dem, hm, bei der Vergewaltigung?« Während die anderen noch überlegten, fuhr Thomas Ritter fort: »Hier schon mal ein paar Fakten: Die Farbe ist schwarz. Die Außenhülle besteht aus porös gummierter Leinwand. Sein Innendurchmesser beträgt fast dreizehn Millimeter, außen fast achtzehn Millimeter. Also ein halbzölliger Schlauch.«
Er heftete zwei starke Vergrößerungen an eine der Tafeln. »Hier, auf diesem Foto kann man sehen, dass das Schlauchstück an einem Ende eher unsachgemäß abgeschnitten wurde. Fast gerissen; zumindest mit einem äußerst stumpfen Werkzeug abgeschnitten. An der anderen Öffnung ist ungefähr einen Zentimeter weit ein Gegenstand in den Schlauch eingepresst gewesen, man kann deutlich eine entsprechende Dehnung erkennen.«
»So einen Schlauch habe ich noch nie gesehen«, gab Judith Brunner zu. »Wir brauchen Fotos, die wir rumzeigen können. Ich denke, wir fragen auf den Genossenschaftshöfen und in den Autowerkstätten nach. Vielleicht erinnert sich jemand an dieses Material.«
»Wird erledigt; ich kümmere mich um alles Nötige«, versprach Dr. Grede.
Ritter machte weiter: »Im Zimmer von Ilona Eichner war übrigens nichts zu finden, was zu ihrem Mörder führen könnte. Nicht mal ein Liebesbriefchen oder ein Schmachtzettelchen. Kein Tagebuch, nur ein Poesiealbum. Ihre Schreibhefte wimmelten zwar von bunten Herzchen und romantischen Sternen, aber das war alles harmloser Mädchenkram. Das einzig Auffallende waren die vielen Ansichtskarten, die Ilona in einem ebenfalls mit Herzchen verzierten Pappkarton sammelte, alle von ihrem Vater. Tut mir leid, aber da kommen wir nicht weiter.«
Judith Brunner übernahm. Sie berichtete von ihren Gesprächen mit Dr. Renz. »Das Mädchen wurde erwürgt. Das ist auch die offizielle Todesursache. Dr. Renz bestätigte die Todeszeit, zwischen halb fünf und
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