Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Milla auch geschmeckt.«
Mit einem stummen Seufzer fügte Fritzi sich in sein unvermeidliches Schicksal.
»Wohin wollte Mario denn eigentlich gehen? Weißt du das?«, fragte Walter, völlig beiläufig klingend, nach.
Fritzi antwortete: »Er macht sich große Sorgen wegen Milla, dass die nicht auch noch tot gemacht wird.«
»Und?«
»Mario schleicht sich ran und bewacht die Herde heimlich.« Fritzi gestikulierte, als würde er selbst das Abenteuer erleben. »Und wenn ein Mörder kommt, wird er Milla dann beschützen!«
~ 33 ~
Walter Dreyer sprang erfreut auf. Zeit für lange Erklärungen hatte er nicht mehr. »Ich werde ihn auf seiner Wache unterstützen!«, rief er Fritzi und seiner Mutter zu und verschwand.
Fünf Minuten später erläuterte Walter Dreyer Marianne Boll sein Vorhaben. Die war zwar nur mäßig überzeugt vom Gelingen seines Plans, gab ihm aber dennoch Marios ungewaschenes Sporthemd, welches er beim letzten Fußballtraining gut durchgeschwitzt hatte, mit. Zumindest war sie einigermaßen beruhigt, als Dreyer ihr erzählte, was er von Fritzi Bauer erfahren hatte.
»Mario geht es bestimmt gut«, versprach Walter Dreyer optimistisch. »Darf ich kurz Ihr Telefon benutzen? Ich muss mich nur bei meiner Vorgesetzten abmelden.«
Nachdem der Anruf erledigt war – Judiths Erleichterung hatte Walter durch den Apparat spüren können –, fuhr er wieder los, kräftig in die Pedale tretend.
Sobald er die Herde gefunden hatte, wollte er Milla an den Sachen riechen lassen. Die Hündin würde Marios Spur aufnehmen und noch vor dem Dunkelwerden könnte er den Jungen bei seiner besorgten Mutter abliefern.
Auf seinem Weg stieß Walter hinter der Schwiesauer Heide an die noch etwas Wasser führende Bäke. Eigentlich ähnelte sie mehr einem Graben als einem Bach. Aber als Tränke für die Weidehaltung der Tiere war das Gewässer äußerst nützlich.
Auf der anderen Seite des Bächleins sah Walter einige Pferde auf der Koppel stehen und hörte einen Bauern laut fluchen. Vor ihm lag ein locker aufgerollter Elektrozaun. Bestimmt hatte der sich hoffnungslos verheddert. Sein schlammbespritztes Auto stand mit geöffnetem Kofferraum daneben und eine Werkzeugkiste wartete, neben dem Hinterrad stehend, auf ihren Einsatz.
Vielleicht hatte der Mann den Schäfer oder seinen Neffen bemerkt und konnte ihm sagen, wo genau sie sich befanden. Walter Dreyer lehnte sein Rad an einen Baum und sprang über den Bach. Beinahe wäre er rückwärts ins Wasser gerutscht, denn das Gras an der Böschung gegenüber war nass und tückisch glatt.
»Hallo«, rief er dem Bauern freundlich zu, »darf ich Sie kurz etwas fragen?«
Der Mann hielt bei seiner Arbeit inne, sah dem uniformierten Mann mit zusammengekniffenen Augen entgegen, blieb aber stumm.
»Guten Tag. Ich suche einen Jungen, der hier vorbeigekommen sein könnte.« Dreyer beschrieb Mario Boll.
Immer noch kein Wort.
Misstrauisch musterte der Bauer den Polizisten.
Dann hatte er ihn wohl erkannt: »Ah, Sie sind dat«, nuschelte er mürrisch.
»Können Sie mir nun helfen, oder nicht?«, versuchte Walter Dreyer, die Reaktion auszunutzen.
»Nee. Hab nischt jesehn.«
Plötzlich eilte der Bauer an Dreyer vorbei, schnappte sich etwas aus seiner Werkzeugkiste und lief überraschend gewandt über das unebene Weideland auf ein paar Pferde zu. Dabei brüllte er irgendetwas Unflätiges und schlug dann einem Hengst weit ausholend heftig auf das Maul.
Das Tier lief laut klagend davon.
»Lass die Weiber in Ruhe!«, drohte der Mann mit seinem Schlaginstrument dem fliehenden Tier hinterher.
Als Walter Dreyer wahrnahm, was der Mann da hoch erhoben in der Hand hielt, durchfuhr es ihn glühend heiß.
Es war ein guter halber Meter eines alten, schwarz gummierten Schlauchs!
~ 34 ~
Ernst Grambow machte sich unverzüglich auf den Weg. Für den Fall, dass der vermisste Junge bei Lothar Mirow sein sollte, was Grambow aber für unwahrscheinlich hielt, hatte er unterwegs angehalten und einen erfahrenen Feuerwehrmann, Rudi Hempel, mit einer vorgeschobenen Begründung gebeten, ihn zu begleiten. Schließlich konnte man ja nie wissen, in welche Situation man geraten würde.
Mirows Hof wirkte nicht nur verlottert, er war es tatsächlich. Lothar Mirow kümmerte sich um nichts; für so etwas hatte er keinen Sinn. Der junge Mann arbeitete als Hilfsarbeiter im Stall der Genossenschaft. Zuweilen konnte Grambow dessen Scheu gegenüber seinen Mitmenschen sogar nachvollziehen. Voller
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