Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
auch gern hören, was Sie mir eben berichtet haben. Wäre es zu viel verlangt, wenn Sie noch mal von vorn beginnen würden?«
»Kein Problem.« Peuker setzte sich kaum merklich auf, drehte seine Handflächen nach außen und begann, die Abläufe seines Sonnabendnachmittags erneut und exakt zu schildern.
Judith Brunner wusste, worauf sie achten musste.
Manfred Peuker wirkte ziemlich sorglos, fast naiv. Höflich antwortete er auf Gredes Fragen.
»Was machen Sie denn so, wenn Sie sich bei ihrer Großmutter aufhalten?«
»Ich helfe bei irgendwelchen Sachen auf dem Hof oder im Garten.«
»Schön. Kennen Sie dort andere junge Leute?« Das war die erste Frage, auf die Peuker bisher noch nicht hatte antworten müssen, weder bei Dreyers Befragung am Sonntag noch eben bei dem Gespräch mit Judith Brunner.
Er stockte, lehnte sich etwas zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was meinen Sie?«
Grede erläuterte: »Na, haben Sie Freunde in Engersen?«
»Nee.« Mehr sagte Peuker diesmal nicht.
»Haben Sie in der Nähe des Hauses Ihrer Großmutter jemanden bemerkt?«
Peuker blieb wortkarg. »Nee.«
Grede tat, als wäre ihm die veränderte Körperhaltung von Manfred Peuker nicht aufgefallen. »Sie sagten unserem Kollegen, dass Sie einen Fußgänger überholt haben.«
Peuker nickte und sah Grede ruhig und mit festem Blick an.
»Ich möchte Ihnen einige Fotos zeigen.« Dr. Grede legte ihm zwei Reihen Fotos von einschlägig vorbestraften Sexualstraftätern vor, ergänzt um einige Aufnahmen beliebiger Männer, die zur Verifikation angefertigt worden waren. »Erkennen Sie jemanden?«
Nahezu bedächtig betrachtete Peuker die Aufnahmen. Dann schüttelte er den Kopf.
Grede sammelte die Fotos wieder ein, und Judith Brunner sagte: »Schade.«
Sie wandte sich an Peuker: »Was meinen Sie, würden Sie uns bei der Anfertigung einer Phantomzeichnung helfen können? Von dem Mann, dem Sie begegnet sind? Ich würde dann für morgen einen Zeichner herbitten.«
Lustlos nickend, hob Peuker unbestimmt die Schultern.
»Wann könnten Sie denn herkommen? Oder soll ich Sie wieder abholen lassen?«
Judiths Gelassenheit täuschte. Sie hatte ein ganz mieses Gefühl. Sie musste Zeit gewinnen. Sie musste dringend mit der Großmutter reden und mit Peukers Mutter auch, bevor sie mit dem jungen Mann selbst weiter machte.
Denn Manfred Peuker log. Er log beängstigend. Er musste kein einziges Mal überlegen, bei keinem Detail. Weder zu seinem Tagesablauf noch zu dem Spaziergänger. Die Präzision seiner Aussagen war bezeichnend. Nur ein Mal, ein einziges Mal, bei einer unerwarteten Frage, hatte er sich bewegt. Ansonsten saß er mit seinen langen Gliedmaßen nahezu still, sah sie direkt an und bewegte kaum die Augen, während er sprach. Doch Judith hatte genau hingesehen. Irgendetwas in seinem Blick weckte in ihr ein ungutes Gefühl.
~ 47 ~
Die leidenschaftliche Nacht und die Hitze des Tages forderten ihren Tribut. Laura döste im Dunklen auf der Gartenbank. Süße Erinnerungen ließen sie summen und Wilhelmina schnurrte dazu. Fast wären sie hier draußen eingeschlafen.
Als spät am Abend endlich die Autotüren klappten, lief Laura zur Haustür und hielt sie für Judith und Walter einladend auf. »War es so schlimm?«, fragte sie nach einem Blick in die Gesichter der beiden.
Judith verschwand wortlos im Bad.
Walter drückte Laura einen Kuss ins Haar und murmelte: »Ich brauche etwas zu essen. Und zu trinken. Und Judith auch.«
Ob sich letztere Bemerkung direkt auf Walters Bedürfnisse bezog oder Judiths Appetit gemeint war, blieb unklar, war Laura aber einerlei. Sie begann, den Tisch zu decken. Zwar musste sie ihre Hand noch immer schonen, doch wenn sie das Geschirr mit beiden Händen und vorsichtig anfasste, gelangen die meisten Handgriffe einwandfrei. Die Vorräte aus Speisekammer und Kühlschrank waren allemal ausreichend für ein Nachtmahl. Als sie fragend ein Weinglas hochhob, erntete sie ein selbstverständliches Nicken. Walter öffnete eine Flasche Rotwein, schenkte ein und begann zu essen. Schnell kam er wieder zu Kräften und verfügte bald über ausreichend Energie und Laune, Laura von dem langen Tag zu berichten. »Boll und Molitz hat Judith dabehalten, den Peuker hat sie nach Hause bringen lassen, lässt ihn aber überwachen. Sie vermutet stark, er weiß was über den Mord oder er war’s sogar selbst«, schloss er.
»Und wie geht es diesem Mann aus Engersen?«
»Das Krankenhaus meinte, er ist über das
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