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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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hielten das für eine tolle Idee und es hat wohl auch funktioniert. Die Fans reisten am Wochenende gern ihren Bands hinterher, vornehmlich per Anhalter. Die Blues-Seligkeit konnte man in so mancher Dorfkneipe haben, vor allem in der Provinz oder auf Volksfesten. Nur, hinkommen musste man eben erst einmal. Trampen war die billigste Möglichkeit.« Walter trank einen kräftigen Schluck und lachte laut. »Mein Besuch bei Siegel war wie eine Zeitreise. Stell dir vor, der Mann lebt immer noch nach diesem Klamottencode, Levi’s, T-Shirt und Jesuslatschen. Für den Parka war es heute sicher nur zu warm. Damals war das Zeug ja nicht für jeden leicht zu beschaffen. Wer da nicht rankam, nahm auch mal ’ne Uniformjacke aus den Fünfzigern oder Sechzigern. Sogar alte Polizeiuniformen haben manche angehabt. Diese Uniform an einem Blueser! Wenn das nicht ein Witz an sich ist ... Geschmack hin oder her. Der Michael Siegel hatte an seiner Flurgarderobe sogar noch einen dieser unförmigen Hirschbeutel rumhängen!«
    Laura bestätigte die Kuriosität: »Es dürfte eigentlich kaum noch alte Wandteppiche mit Hirschmotiv oder ähnlichem Kitsch geben. Die sind sämtlich dem Nähen dieser bescheuerten Umhängetaschen zum Opfer gefallen«, war sie überzeugt.
    Walter prostete ihr launig zu. »An ihrer Feierkultur haben die Leute jedenfalls festgehalten; in Siegels Garage türmten sich die Bierkästen und Kisten mit leeren Schnapsflaschen.« Walter fing an, Laura von der Musik jener Jahre vorzuschwärmen.
    Als sie so auf dem Hof saßen und plauderten, begannen die Kühe auf den nahe gelegenen Weiden zu muhen. Sie wurden ungeduldig, warteten auf ihr abendliches Melken. Diese vertrauten Laute gehörten zu den Abendstunden in Waldau, seit Laura denken konnte. Doch heute bekam sie einen Schreck. Es traf sie wie eine unerwartete, heftige Welle. Das war es! Ihr fiel ein, wonach sie seit Tagen vergeblich in ihrem Gedächtnis gesucht hatte. Die Kühe! Tierquälerei? Tierverstümmelungen! Sie sprang auf. »Walter!«
    »Ja?«, antwortete er verhalten, plötzlich aus seinen Erinnerungen gerissen. Ihr erregter Ton machte ihn hellhörig.
    »Letztes Jahr habe ich doch das Archiv in Judiths Dienststelle gesichtet, wegen dieses Lemkes.«
    Walter wusste genau, wovon Laura sprach. Judith hatte es sich zur Aufgabe gemacht, einem verurteilten Serienmörder weitere Taten nachzuweisen, weil sie überzeugt war, das den Angehörigen seiner Opfer schuldig zu sein. Und Laura hatte mitgeholfen, diesem Lemke einen weiteren Mord an einer Postfrau nachzuweisen. Doch dieser Fall konnte jetzt nicht gemeint sein. Und mit Bluesmusik hatte das nun überhaupt nichts zu tun. »Weiter!«, drängte er mit einer leisen Ahnung, dass er sich zu früh einer wohligen Feierabendstimmung hingegeben hatte.
    »Da hatte ich eine ältere Akte in der Hand – ich weiß genau, dass es da um Tierverstümmelungen ging. Bei Kühen! Das war eine ziemlich widerwärtige Lektüre. Den Tieren war immer ein harter Gegenstand brutal über die, hm, hinteren Körperöffnungen bis in den Bauch gestoßen worden. Mich hat das interessiert, weil es hier ganz in der Nähe passiert war, und deswegen habe ich etwas gründlicher gelesen. Zumindest sind in der Akte allerhand Anzeigen gewesen, das weiß ich noch genau. Vielleicht helfen euch ja Namen aus der Akte, etwas über den Fall mit dem Hund herauszufinden.«
    Nun erinnerte sich auch Walter dunkel an die Vorgänge, welche die Bauern in der Altmark damals stark beunruhigt hatten. »Das war auch in den Siebzigern, stimmt’s? Es ist, soweit ich mich erinnere, seinerzeit nicht gelungen, einen Täter zu finden.«
    »Ich suche die Akte sofort noch mal raus«, verkündete Laura, keinen Einwand erwartend. Seine leere Bierflasche ignorierte sie einfach. »Fahr mich bitte gleich nach Gardelegen.«
     
 
    ~ 55 ~
     
Da Walter Dreyer vorsichtshalber bei Lisa Lenz angerufen hatte und die junge Frau am Eingang auf sie wartete, kamen sie einigermaßen ungeschoren an Karl-Horst Stein vorbei.
    Laura und Lisa verschwanden gleich in Richtung Archivkeller.
    Lediglich ein »He, Sie dürfen sich hier im Gebäude nicht ohne Begleitung bewegen, ich mache sofort Meldung«, rief der Zerberus dann pflichtbewusst Walter Dreyer hinterher.
    Der grinste still in sich hinein, als er sich die entsprechende Stein’sche Niederschrift vorstellte. Dr. ohne BGL bew.? Walter hätte den Weg zu Judiths Büro mit verbundenen Augen finden können. Er hoffte, sie einen Moment allein anzutreffen,

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