Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
Vom Netzwerk:
unter, weil das Netz ihn verließ, und Gerhard war froh
darüber. Er wandte sich an Hajo. »Kannst du mich in Echelsbach absetzen?«
    »Klar.« Hajo machte eine kurze Pause. »Bringt dir
unser kleiner Ausflug was?«
    »Was denkst du?« Gerhard sah aus dem Fenster.
    »He, das ist dein Job! Aber bitte: Dein Erhard
verschiebt Holz, deine Ermordete hat das mitgekriegt, hat ihn verpfiffen oder
wollt ihn verpfeifen, und deshalb musste sie weichen. Etwas in der Art?«
    »Ja, das wäre auch meine Theorie, und deshalb werde
ich dem Spezl Erhard auch mal einen Besuch im dunklen Tann abstatten.«
    Hajo setzte ihn vorne an der Flößerstube ab, Gerhard
schlenderte durch den Weiler und sah Jo und Evi schon von Weitem vor dem Haus
sitzen. Mit einem »Hi, Mädels« sank Gerhard auf einen Gartenstuhl und lehnte
sich zurück. Die Sonne meinte es gut mit der südseitigen Hausfront, es war
sommerlich heiß, kein Lüftchen regte sich. Überall unter Jos bunten
Gartenmöbeln fläzten Katzen, eine hatte sich um den Stamm einer eingetopften
Palme geringelt. Hinter dem Misthaufen des Nachbarn erhob sich der Pürschling,
der immer so aussah, als hätte ein Riese ein Scherzl rausgebissen.
    »Wo kommst du eigentlich her?«, wollte Evi wissen.
    »Gemach, gemach, gebt mir erst mal ‘nen Kaffee.«
    Sein Wunsch wurde erfüllt. Gerhard hatte die Augen
geschlossen und wippte mit dem Stuhl. Er sah wieder auf. Jo nippte an ihrem
Prosecco, es war fast wie Urlaub. Leider nur fast.
    »Und was wollt ihr nun über Jacky wissen?«, fragte Jo
nämlich plötzlich. »Ich kann das immer noch nicht fassen, dass sie tot ist. Ich
hätte mich mehr um sie kümmern müssen.«
    »Ach Jo, das sagen alle, die Jacky gekannt haben. Aber
du kannst nur Angebote machen, annehmen muss der Betroffene sie schon selbst.
Außerdem ist es nicht gesagt, dass dein Kümmern den Mord verhindert hätte.«
    »Ja, aber mir geht das trotzdem nahe. Sie war ein
ungewöhnliches Mädchen. Ich mochte sie. Ich hätte wirklich den Kontakt zu ihr
halten müssen.«
    Gerhard seufzte und sah Evi an. »Okay, dann sind wir
eben ab jetzt im Dienst.« Er zog seinen Block hervor, wobei Block ein großes
Wort für ein völlig vergammeltes kleines Heft mit Uli-Stein-Maus als Cover war.
    »Also Jo, Jacky Paulig hat bei dir ein Praktikum
gemacht?«
    »Ja, gewissermaßen, eher semioffiziell.«
    »Semioffiziell? Jo, bitte! Komm mal runter von deinem
Akademiker-Ross.«
    »Ja, dann nenn es eben halboffiziell. Ich hab sie am
Stammtisch der Flößerstube kennengelernt, wir haben uns ein bisschen
unterhalten, und ich fand das Mädchen sehr interessant.«
    »Inwiefern?«, fragte Evi, die ihre Teetasse umfasst
hielt.
    »Na du kennst doch die typischen unausgegorenen
Stammtischparolen. Es ging um Christian Stückl und darum, dass er das
Passionsspiel nachts aufführen will. Der Tenor bei den Stammtischbrüdern war
entweder ›Der ghert weg‹ oder aber ›Des gschieht den brotneidigen Ogauern
recht‹.«
    »Klärst du mich kurz auf? Kultur ist vielleicht Evis
Steckenpferd, Meins aber nicht.« Gerhard grinste.
    »Zeitung lesen auch nicht, oder? Christian Stückl,
Spielleiter des weltberühmten Passionsspiels, Diva von Ogaus Gnaden
beziehungsweise der richtigen Zirkel, hat wegen der künstlerischen Dimension
beschlossen, große Teile der Passion in der Nacht zu zeigen. Das hat einen
ziemlichen Aufruhr gegeben. Es gab sogar einen Bürgerentscheid, den Stückl ganz
knapp gewonnen hat. Der Aufruhr bleibt. Zum einen, weil das Nachtspiel
historisch nicht korrekt ist, die Kreuzigung war zur vierten Stunde, also nicht
nachts, und außerdem sehen viele Geschäfte ihre Felle davonschwimmen. Bisher
kamen die Leute vormittags, schwärmten im Ort aus, kauften ein, nutzten die
Pause und waren auch nach dem Spiel noch unterwegs. Wenn das Spiel aber erst
nachts endet, fallen die tot ins Bett – nix mit Shopping.«
    »Okay, und was hat das nun mit Jacky zu tun?« Das
Schlimme an Jo war, dass sie immer vom Hundertsten ins Tausendste kam.
    »Sie hat damals am Stammtisch gesagt, dass Kunst
sicher ihre Berechtigung habe, aber dass so ein Stückl sich wohl kaum einen
Gefallen tut, wenn er sich gegen die Wirtschaft Ogaus stellt. Immerhin wäre der
in und mit Ogau auch groß geworden, und da müsse die Kunst halt mal
zurückstecken. Sinngemäß. Ich fand das eine sehr differenzierte Betrachtung,
vor allem angesichts des Stammtisch-Umfelds. Da hab ich mehr im Spaß gesagt,
sie wäre eine gute Touristikerin, ob sie denn schon mal über einen

Weitere Kostenlose Bücher