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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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lag.
    Tatsächlich hob Friedl nun an, ihm zu erläutern, dass
er hart, aber gerecht sei und sehr wohl für soziale Projekte etwas übrig habe.
Die Seniorenstadt in Holzkirchen zum Beispiel. Wie er es darstellte, war das
nur durch sein Wirken möglich geworden. Und als er über ein Oberland-Center am
Bahnhof sprach, das er bauen wolle, klang es so, als hätte er den
kontaminierten Boden umsonst und mit bloßen Händen saniert. Um Miesbach endlich
ein städtisches Einkaufscenter zu ermöglichen, für die Heimat, für die Bürger.
Das klang wie eine Wahlrede.
    »Und um auf Jacqueline zurückzukommen?«, meinte
Gerhard beiläufig, weltmännisch in den tiefen Lederfauteuil gefläzt.
    »Ja, ich habe ihr Arbeit gegeben und sie sehr gut
bezahlt. Ich gebe kein Geld für Nichtstuer und Hartz- IV -Schmarotzer aus, aber ich entlohne Arbeit und Einsatz
stets mit Freude.« Friedl klang heroisch.
    »Und an jenem Abend in der Jagdhütte, da war Jacky
auch da. Ich meine den Abend, an dem Sie illegal mit Nachtsichtgeräten gejagt
haben und …«
    »Wer sagt das?« Friedl unterbrach ihn rüde, seine
Puttohaut rötete sich.
    »Nun, wir haben Zeugenaussagen, die das bestätigen.«
    »Der Erhard beißt die Hand, die ihn füttert.
Niederwild, ich sage es, kleines, dreckiges Niederwild, das sich nur duckt.«
Friedls Äuglein flackerten.
    »Von Herrn Erhard war nicht die Rede. Es sind keine
Namen gefallen, es werden keine Namen fallen. Was mich interessiert, Herr
Friedl: Sie haben der Jacqueline den Lohn extra hinterhergefahren.« Gerhard sah
ihn unverwandt an und hatte seine lümmelnde Sitzposition verlassen. Er
signalisierte, dass er auf dem Sprung war.
    »Ich stehe zu meinen Worten«, sagte Friedl in einem
Tonfall, der einem Hollywood-Breitwandschinken zur Ehre gereicht hätte. Das war
pures Pathos, das war großes Kino hier.
    »Und das war am Montag?«
    »Ja, ich habe Erhard aufgesucht, der mir sagen konnte,
dass das Mädchen soeben vom Essen aufgestanden sei. Ich habe Jacky dann draußen
im Stall vorgefunden. Ich habe sie auf ein Eis eingeladen, aber das hat sie
abgelehnt. Sie wollte aber gerne nach Bad Bayersoien, und da habe ich ihr
angeboten, sie mitzunehmen.«
    »Und dann?«, fragte Gerhard.
    »Wir sind nach Bad Bayersoien gefahren, ich habe sie
bei Auto Henritzi aussteigen lassen, weil sie das so wollte.« Friedl klang nun
eher gelangweilt, gelangweilt von einer Unterhaltung, die ihm die Zeit stahl.
    »Sie hatten einen Hund dabei, den Sie zurück ins Auto
geprügelt haben sollen«, warf Gerhard einfach so hin.
    »Geprügelt! Ach was! Der Hund ist in Ausbildung. Ein
Jagdhund ist kein Schoßhündchen. Ein Jagdhund arbeitet und duldet.«
    »Was für einen Wagen fahren Sie?«
    »Einen Landrover, einen Porsche, und dann habe ich
noch eine Corvette.«
    »Und an dem Tag?«, fragte Gerhard.
    »Den Landrover. Ich nehme stets den Landrover, wenn
ich gegen Westen unterwegs bin. Das ist eine unzivilisierte Wildnis da oben bei
Anton Erhard.«
    Ja, er warf solche Sätze einfach hin. Er durfte
verletzend sein, solange ihn keiner beleidigte. Und er sagte das in einem
klaren Hochdeutsch, das aber eine süddeutsch gefärbte Sprachmelodie hatte und
in das er ganz selten bayerische Einsprengsel mischte. Wie ein Politiker, der
signalisierte: Seht her, ich hab’s drauf, euch in der Welt der Großen zu
vertreten, aber ich bin doch einer von euch.
    »Und das war alles? Sie saßen schweigend im Auto bis
Bad Bayersoien, Herr Friedl?« Gerhard klang immer noch überlegen und frostig,
obgleich er spürte, dass ihn das hier ungeheure Kraft kostete. Sein Blick
schweifte durch den Raum. An allen vier Wänden hingen Fotografien in schweren
Goldrahmen, die Friedl neben erlegten Tieren zeigten: mal mit einem Elch, mal
neben einer ganzen Armada von Springböcken, mal mit einem Nashorn. Sein Blick
war jedes Mal derselbe: Es war der Blick eines Mannes, der jetzt zufrieden war.
Zufrieden immer dann, wenn er sein Wild erlegt hatte.
    Friedl war Gerhards Blick gefolgt. »Ich habe natürlich
Kommunikation gemacht. Aber das Mädchen hat mich beschimpft, dass ich ein
Mörder sei, ein Tiermörder. Sie war ganz entzückend in ihrer Wut. Sie hat mir
gedroht, dass sie mich anzeigen würde. Diese Kleine mich anzeigen!«
    In Friedls Stimme hatte sich ein Unterton gemischt.
Ein Unterton, der von Ärger zeugte, und er wirkte ein wenig beleidigt. Das
überraschte Gerhard nicht, denn eigentlich passte das ins Bild. Der
Herrenmensch war gleichzeitig eine Mimose, wenn es ums

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