Nachtprinzessin
an. Und dass Sie Majewski am liebsten umbringen wollen, haben Sie schon mehrfach öffentlich verkündet.«
»Nicht nur ich! Alle verkünden so was! Aber das interessiert Sie ja nicht! Sie brauchen einen Mörder und haben sich auf mich eingepfiffen. So einfach ist das, und jetzt wollen Sie alles so hindrehen, dass es auch passt. Aber nicht mit mir. Ich will einen Anwalt.«
»Bitte schön.« Bredow reichte ihm sein Handy. »Rufen Sie einen an. Kein Problem.«
Alex nahm das Handy gar nicht in die Hand. Er wusste keinen Anwalt, musste auf seinen Vater warten.
»Stimmt es, dass Sie den Job durch die Fürsprache Ihres Vaters bekommen haben?«
Alex antwortete nicht.
»Es war also gar nicht Ihr Wunsch, im Rautmann’s zu arbeiten?«
Alex antwortete wieder nicht.
»War Ihnen das unangenehm? Ich meine, hat man Sie damit aufgezogen, nach dem Motto: Papi besorgt dem Söhnchen einen Job?«
»Nee. Das wusste ja keiner.«
»Aber Majewski schon. Der hat Sie ja schließlich eingestellt.«
»Ja, klar. Der schon.«
»War Majewski ekelhaft? Ich meine, verletzend? Hat er gern provoziert?«
»Das hat er. Aber so sind sie alle.«
»Sie haben ihn gehasst?«
»Ja, schon. Logo. Aber man hasst sie eigentlich alle.«
»Ich halte fest: Sie haben Ihren Küchenchef gehasst, er hat Sie ständig beleidigt und provoziert, Streit war an der Tagesordnung, mehrmals haben Sie gesagt, Sie würden ihn am liebsten umbringen. Sie sind ein aufbrausender Typ und zu allem fähig, wenn Sie mal so richtig wütend sind. An diesem Abend sind Sie so sauer auf Majewski, dass Sie Ihre Sachen holen und Ihren Job schmeißen wollen, Sie treffen Majewski noch in der Küche an, Sie sind beide angetrunken, der Streit eskaliert, und Sie bringen ihn um. Und weil Ihr Hass grenzenlos ist, haben Sie sich für ihn noch etwas ganz Besonderes ausgedacht und braten ihn wie ein Spanferkel. – Habe ich mich in irgendeinem Punkt getäuscht?«
»Es ist alles Müll. Von A bis Z. Stimmt vorne und hinten nicht.«
»Wie war es dann?«
»Wie oft wollen wir den immer gleichen Mist noch durchkauen? Ich hab gesagt, ich hab mit meinen Kumpels ein paar Bier getrunken, hab ’ne Currywurst gegessen und bin nach Hause. Ende der Durchsage. Alles andere entspringt Ihrer kranken, dreckigen Fantasie.«
»Gut.« Bredow stand auf. »Dann bringen wir Sie jetzt zurück in Ihre Zelle. Morgen früh werden Sie dem Haftrichter vorgeführt, und der wird über alles Weitere entscheiden.«
Bredow verließ den Raum und gab zwei Beamten ein Zeichen, Alexander von Steinfeld abzuführen.
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Montebenichi, Dienstag, 6. Oktober 2009
Zuerst dachte Paolo Spadini, es läge an seinem empfindlichen Magen und seinem ständigen Sodbrennen, dass er die ganze Nacht nicht schlafen konnte, aber langsam begriff er, dass es dieses merkwürdige, nervtötende und penetrante Geräusch war, das ihn wach hielt. Es ratterte, schepperte und klapperte die ganze Nacht. Ohne Unterbrechung. So etwas hatte er noch nie gehört.
»Was ist das?«, fragte er seine Frau Livia und schüttelte sie sacht an der Schulter.
»Nichts«, antwortete sie. »Oder irgendwas. Keine Ahnung.« Damit drehte sie sich um und schlief weiter.
Paolo ließ das alles keine Ruhe. Er stand auf und schlich auf Strümpfen durchs Haus, um Livia nicht noch einmal zu wecken. Kontrollierte die Heizung, die Wasserpumpe und die Heiß wassertherme, den Schornstein, den Kamin, Waschmaschine, Geschirrspüler und Tiefkühltruhe, er sah nach, ob ein Fensterladen im Wind schlug oder ein Marder in der Dachrinne tobte.
Nichts. An seinem Haus war alles in Ordnung, aber das Geräusch blieb.
Paolo legte sich noch einmal hin und versuchte ein bisschen zu dösen, aber es war zwecklos. Schließlich stand er noch vor sieben Uhr auf, zog sich an, kochte sich einen Espresso und ging nach draußen.
Es war ein kühler, aber klarer Morgen. Nicht so neblig verhangen wie in den letzten Tagen. Der orangefarbene Schimmer des Sonnenaufgangs versprach, dass es ein sonniger Tag werden würde.
Das Geräusch hörte er jetzt deutlicher.
Er blieb stehen und lauschte.
Jetzt konnte er es genau orten. Es kam vom Nachbarn. Von Renato, der schon seit zwei Jahren nicht mehr im Dorf wohnte, seine Wohnung verkaufen wollte, sie aber einfach nicht loswurde.
Seines Wissens war Renato in Milano, aber es knatterte hinten an seinem Haus, an der Außenwand, zum Weinberg hin.
Paolo ging durch den schmalen Gang zur Nordwand des Hauses. Dort hing die Klimaanlage, ein altes, rostiges Ding,
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