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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Zentralheizung hatten und gar keinen Kamin besaßen? Und schließlich: Warum hatte Clara Carmini fünf Hunde, wenn sie nicht in der Lage waren, auf diese armselige Bruchbude aufzupassen?
    Neri parkte vor dem Haus, ging die drei Schritte durch den Vorgarten, rief laut und deutlich »Permesso« und betrat das Haus.
    Clara saß tränenüberströmt in der Küche, zerbröselte altes Brot mit langen, knallrot lackierten Fingernägeln und kraulte einen ihrer Hunde, der bei ihr auf dem Schoß saß. Die übrigen lagen wie überdimensionierte Wattebäusche auf dem Linoleumfußboden.
    »Salve, Commissario«, flüsterte sie leidend. »Nett, dass Sie gekommen sind. Bitte, setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken? Oder essen? Ich habe noch ein bisschen Pasta vom Mittagessen übrig.«
    »Nein, danke, sehr freundlich«, sagte Neri und setzte sich. »Erzählen Sie mal. Was ist denn passiert?«
    Clara räusperte sich lautstark wie ein alter Bauer, der jahrelang auf dem Trecker gesessen und Heustaub eingeatmet hatte, und warf den kleinen Hund auf ihrem Schoß durch die Küche, weil er sie offensichtlich beim Denken und Reden störte. Der Hund schüttelte sich und verwandelte sich in Sekundenschnelle in einen ebenso unübersichtlichen Haufen Fell wie seine Geschwister, bei denen man nicht erkennen konnte, wo vorn und wo hinten war.
    »Ich hatte mich nach dem Mittagessen gerade ein paar Minuten hingelegt und muss wohl eingenickt sein, denn ich wurde wach, weil ich so ein merkwürdiges Geräusch hörte. Als ob ein Fenster im Wind schlägt.«
    »Wo waren die Hunde?«
    »Bei mir im Schlafzimmer, das heißt, in meinem Bett unter der Decke.«
    Bei der Hitze!, dachte Neri schaudernd. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebten, aber unter der Decke hörten sie natürlich schon mal wesentlich weniger. Ganz abgesehen davon, dass er es ekelhaft fand, wenn Hunde im Bett schliefen. Und dann gleich fünf an der Zahl!
    »Vielleicht schlug ja wirklich ein Fenster im Wind?«
    Witwe Clara formte ihre Lippen zu einem wütenden Kussmund und sah aus, als wollte sie sich jeden Moment auf Neri stürzen.
    »Nein, Commissario«, meinte sie spitz. »Das ist nicht möglich. Weil nämlich niemals ein Fenster offen steht, wenn ich mich mittags oder abends hinlege.«
    Neri seufzte. »Gut. Und weiter?«
    »Ich lag wie erstarrt da und horchte. Vielleicht können Sie sich das nicht vorstellen, aber ich war bewegungsunfähig vor Angst.«
    »Und dann?«
    »Dann gab es ein fürchterliches Geräusch. Als ob ein tönerner Krug auf dem Steinfußboden zerbricht.«
    »Aus welchem Zimmer kam das Geräusch?«
    »Hier aus der Küche.«
    »Aber hier ist Linoleumfußboden!«
    »Ich habe ja auch nicht gesagt, dass der Krug auf dem Steinfußboden zerbrochen ist, sondern ich hab gesagt, dass es sich anhörte, als wäre er auf einem Steinfußboden zerbrochen! Warum hören Sie mir denn nicht zu?«
    »Ist ein Krug zerbrochen?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »Hier.«
    »Also auf dem Linoleumfußboden.«
    »Herrgottnochmal, ja!«, kreischte Clara.
    »Und Sie nahmen an, dass ein Einbrecher im Haus ist?«
    »Natürlich!«
    »Gut. – Die Hunde schliefen immer noch friedlich?«
    »Sicher.« Clara stand auf und holte eine Flasche Grappa vom Regal über der Spüle. Aus dem Schrank nahm sie ein kleines Wasserglas und drehte sich um.
    »Möchten Sie auch einen?«
    »Nein danke«, antwortete Neri, dabei hätte er liebend gern einen getrunken.
    Witwe Clara setzte sich, schenkte sich ein und kippte den Grappa, der ungefähr einer Menge von fünf Schnäpsen entsprach.
    Dann knallte sie das Glas auf den Tisch und brach in Tränen aus.
    »Meine Ruhe ist dahin«, schluchzte sie. »Ich fühle mich nicht mehr sicher! Gott sei Dank ist der Einbrecher nicht ins Schlafzimmer gekommen, ich hätte tot sein können!«
    In diesem Moment klingelte Neris Handy.
    Er nahm das Gespräch an. »Ja?«
    Es war Gabriella. »Neri, kannst du schnell kommen? Es ist wichtig.«
    »Nein, Gabriella, ich kann nicht. Wirklich nicht.«
    »Was ist denn?«, fragte sie, und er hörte ganz genau ihren spöttischen Unterton, da sie immer davon ausging, dass er nur in der Gegend spazieren fuhr, auf der Piazza herumlungerte oder die Kreuzworträtsel in der »La Nazione« löste.
    »Es hat einen Einbruch gegeben, und ich rede gerade mit dem Opfer. Tut mir leid, Gabriella.«
    Er legte auf und wandte sich wieder der Witwe zu, die sich den nächsten Monstergrappa einschenkte.
    Wenn sie so weitersäuft, weiß sie sowieso bald nichts mehr,

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