Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
Vom Netzwerk:
mächtig schief gewickelt, mein Freund.« Und hatte ein Nachbar sie geschnitten, oder war sie in einem Geschäft wie Luft behandelt worden, kam sie nach Hause, knallte die Faust auf die Küchentheke und zischte: »Den Scheißkerl könnte ich mit links in die Tasche stecken.« Oft genug hatte sie sich vorgestellt, solche Sätze zu sagen, doch jetzt, da sie es konnte, war sie offenbar enttäuscht, wie wenig Befriedigung sie einem verschafften.
    Ich glaube, es war Tante Monies Geld, das für meine Miete aufkam, als ich ans Art Institute nach Chicago ging. Und es war vermutlich ebenso ihr Geld, das meiner Schwester Gretchen den Besuch der Rhode Island School of Design und meiner Schwester Tiffany die Unterbringung in einer furchtbaren, dafür aber sündhaft teuren Jugenderziehungsanstalt in Maine bescherte. Es sorgte dafür, die Kinder meiner Mutter aus dem Süden fort zubringen, was für sie allemal ein Aufstieg war. Der Rest des Geldes wurde von meinem Vater verwaltet, einem Alchemisten auf dem Börsenparkett, der Gold in einen Briefkasten voller Jahresabschlussberichte verwandeln konnte, an denen allein er seine Freude hatte.
    Was die Präparierkunst angeht, verzichtete das kanadische Museum auf die Übernahme der Sammlung meines Großonkels. Da eine Versteigerung der Exponate zu aufwändig erschien, gingen die Tiere zusammen mit dem aus ihnen hergestellten Nippes an Hank.
    »Ihr habt was ?«, sagte ich zu meiner Mutter. »Ich glaube, ich habe da was nicht richtig verstanden. Was habt ihr gemacht?« Es folgte ein Anruf, und ich bekam eine Decke aus Bärenfell zugeschickt, die mehrere Jahre lang den Boden meines viel zu kleinen Zimmers zierte. Es war sowieso bescheuert, ein Bärenfell als Bettvorleger zu haben. Ging man in die eine Richtung, stolperte man über den Schädel, kam man zurück, blieb man mit dem Fuß im geöffneten Maul hängen.
    Am ersten Abend, den ich allein mit meinem Bären verbrachte, schloss ich meine Zimmertür zweimal ab und legte mich nackt auf ihn, wie man es manchmal in Zeitschriften sah. Ich hatte mir vorgestellt, es müsste ein großartiges Gefühl sein, der besiegte Pelz auf meiner nackten Haut, doch empfand ich nichts außer einer schleichenden Paranoia. Jemand beobachtete mich, kein Nachbar oder eine meiner Schwestern, sondern Tante Monies zweiter Mann, dessen Porträt bei ihr an der Wand gehangen hatte. Vom Hals an aufwärts sah er Teddy Roosevelt täuschend ähnlich – die glänzende Nickelbrille, der monströse Walrossschnauzbart. Der Mann hatte sich im glühend heißen Buschland Afrikas an Weißschwanzgnus herangepirscht, und jetzt ruhte sein beutehungriger Blick auf mir: einem schlaksigen Siebzehnjährigen mit riesigen Brillengläsern und einem Türkisarmreif, der mit seinem dürren, pickligen Po die Großwildjägerei lächerlich machte. Es war kein sehr angenehmes Bild, das mich deshalb noch eine ganze Weile verfolgte.
    In ihrem zweiten Collegejahr nahm Lisa das Fell mit nach Virginia, wo es auf dem Boden ihrer Studentenbude herum gammelte. Wir hatten ausge macht, dass es sich um eine Leihgabe handelte, doch am Ende des Frühjahrssemesters schenkte sie es ihrer Zimmernachbarin, die auf der Heim fahrt nach Pennsylvania tödlich mit ihrem Wagen verunglückte. Als ich die Nachricht hörte, stellte ich mir vor, wie die Eltern halb wahnsinnig vor Kummer das Bärenfell im Kofferraum des Wagens ihrer Tochter fanden und sich fragten, was es mit dem Leben ihrer Tochter oder mit wessen Leben auch immer zu tun hatte.

Falscher Fuffziger
    Man wei ß, dass man jung ist, wenn jemand einen um Geld bittet und man sich geschmeichelt fühlt.
    »Du siehst ziemlich cool aus, kann ich dich was fragen?«
    Das Mädchen war ein Hippie um die achtzehn, das vor dem Eingang des Lebensmittelgeschäfts im North-Hills-Einkaufszentrum bettelte. Sie trug eine Farmerbluse und Jeans mit weitem Schlag, sodass es so aussah, als hätte sie keine Füße. Dazu eine Großmutterbrille, Amulette und ein Perlenstirnband: Ich war überrascht, dass jemand mit so viel Stil ausgerechnet mich ansprach.
    Ich war dreizehn in diesem Sommer. Meine Mutter war mit mir zum Kwik Pik gefahren, hatte mir einen Zehndollarschein in die Hand gedr ückt und mich losgeschickt, eine Stange Zigaretten zu holen. Sie beobachtete, wie mich das Hippiemädchen ansprach, sah mich im Laden verschwinden und bekam auch mit, wie ich dem Mädchen beim Rausgehen einen Dollar in die Hand drückte.
    »Was sollte das?«, fragte sie, als ich wieder im Wagen

Weitere Kostenlose Bücher