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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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meine Mutter, was mir erschreckend fantasielos vorkam. Der ganze Sinn eines gediegenen Le bensstils war doch, dass andere sich um die Instandhaltung kümmerten, die Sofatischchen polierten und den Dreck aus den Ritzen der Sessel mit den Löwenpranken kratzten. Davon abgesehen, hätte ich um nichts in der Welt hier Staub wischen m ögen. Einen Lampenschirm oder auch zwei vielleicht, aber dies erinnerte an einen Ausstellungsraum im Museum, der mit einer Kordel abgesperrt ist und bei dem das Mobiliar in kleinen Grüppchen zusammensteht wie die Gäste auf einer Stehparty. Die Wände waren mit gestreiften Satintapeten bezogen, und die Vorhänge reichten von der Decke bis zum Fußboden, eingerahmt von etwas, das sich später als Girlanden entpuppte. Der Stuhl mit dem Nachttopf und der Klapptisch passten nicht ganz dazu, aber wir taten so, als bemerkten wir sie nicht.
    »Mrs. Brown«, schmetterte Dorothy, woraufhin wir uns dem Geräusch knirschender Zahnräder zuwandten und uns am unteren Treppenpfosten versammelten, um dem langsam herabschwebenden Sitz zuzusehen. Die Tante Monie, die ich zehn Jahre zuvor kennen gelernt hatte, war zwar eine gebrechliche, gleichwohl aber immer noch ausreichend kräftige Person gewesen, um auf dem Sofakissen eine Delle zu hinterlassen. Das Persönchen, das da jetzt die Treppe herab gerumpelt kam, schien kaum schwerer als ein Hundewelpe zu sein. Sie war immer noch elegant gekleidet, aber ausgemergelt, und ihr fast kahler Kopf hing wie eine schrumpelige Zwiebel auf ihren Schultern. Meine Mutter nannte ihren Namen, und nachdem der Sitz festen Boden erreicht hatte, starrte Tante Monie sie eine Weile an.
    »Ich bin’s, Sharon«, wiederholte meine Mutter. »Und das sind zwei von meinen Kindern. Meine Tochter Lisa und mein Sohn David.«
    »Deine Kinder?«
    »Nun, zwei von meinen Kindern«, sagte meine Mutter. »Die beiden ältesten.«
    »Und du bist?«
    »Sharon.«
    »Sharon, richtig.«
    »Du hast mir vor ein paar Jahren eine Reise nach Griechenland spendiert«, sagte ich. »Erinnerst du dich? Du hast den Flug bezahlt, und ich habe dir die vielen Briefe geschrieben.«
    »Ja«, sagte sie. »Briefe.«
    »Ganz lange Briefe.«
    »Ganz lange.«
    Alle Schuldgefühle waren mit einem Mal verschwunden. An ihre Stelle war die Angst getreten, sie könnte uns in ihrem Testament übergangen haben. Was mochte in ihrem krausen Kopf vorgehen? »Mom«, flüsterte ich. »Mach, dass sie sich an uns erinnert.«
    Wie sich herausstellte, war Tante Monie weit aufgeweckter, als es auf den ersten Blick schien. Namen waren nicht ihre Stärke, aber sie war unglaublich scharfsinnig, zumindest was mich betraf.
    »Wo steckt der Junge?«, fragte sie meine Mutter, sobald ich aus dem Zimmer ging. »Hol ihn sofort zurück. Ich mag es nicht, wenn jemand in meinen Sachen schnüffelt.«
    »Oh, ich bin sicher, er schnüffelt nicht in fremder Leute Sachen«, sagte meine Mutter. »Lisa, geh und sieh nach deinem Bruder.«
    Tante Monies zweiter Mann war Großwildjäger gewesen und hatte neben dem Wohnzimmer einen Ausstellungsraum für seine Trophäen eingerichtet, eine Art Arche Noah der Präparierkunst. Zur Abteilung der Großkatzen gehörten Schneeleoparden, weiße Tiger, ein Löwe und zwei Panther, die sich mitten im Sprung befanden. Bergziegen stießen vor dem Couchtisch die Hörner gegeneinander. Eine Wölfin lauerte hinter dem Sofa einer Hirschkuh auf, und neben dem Gewehrfutteral hob eine Grizzlybärin ihre Pranke, um ein zwischen ihren Beinen kauerndes Junges zu schützen Außer den Tieren gab es noch aus Tieren gefertigte Gegenstände; einen Hocker aus einem Elefantenfuß, Aschenbecher aus Tierhufen, eine aus dem Bein einer Giraffe gearbeitete Stehlampe. Was für ein Albtraum, hier Staub zu wischen.
    Ich entdeckte den Raum zuerst, als Tante Monie gerade ein Bad nahm, setzte mich auf eine mit Zebrafell bezogene Ottomane und verspürte zugleich Neid und Paranoia: Tausend Augen sahen einen an, und ich wollte sie alle. Gezwungen zu wählen, hätte ich mich für den Gorilla entschieden, aber meine Mutter erklärte, die komplette Sammlung sei bereits einem kleinen Naturkundemuseum irgendwo in Kanada versprochen. Auf meine Frage, wozu Kanada noch einen weiteren Elch brauche, zuckte sie nur mit den Schultern und sagte, ich sei morbid.
    Wenn ich aus dem Trophäenzimmer vertrieben wurde, ging ich außen ums Haus herum und spähte durchs Fenster. »Wo steckt er?«, fragte Tante Monie. »Was heckt er wieder aus?«
    Eines frühen Abends, ich

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