Nachtruf (German Edition)
warst, sag es ruhig …“
„Ich sagte , ich war nicht da.“ Er starrte finster auf den Kronleuchter, der von der hohen Decke des Wohnzimmers herabhing. „Das ist doch Scheiße.“
„Was?“
„Diese lahmen Therapiesitzungen.“
„Es tut mir leid, dass du das so empfindest.“ Rain stellte ihre Tasse auf den Beistelltisch. „Ich hatte den Eindruck, unsere Sitzungen wären hilfreich. Aber abgesehen davon ist deine Anwesenheit vom Gericht angeordnet worden …“
„Wer ist David?“
Die Frage kam aus heiterem Himmel. „Warum?“
„Gehen Sie doch und sehen Sie selbst.“ Oliver wies zur Küche.
Rain stand auf und lief durch die Bogentür. Auf der Theke,unter dem Eisengestell, auf dem sie Celestes heiß geliebtes Kochgeschirr aus Kupfer aufbewahrte, lag ein Bouquet lavendelfarbener Rosen. Es war in Papier eingewickelt und mit einer großen Schleife zusammengebunden.
„Die lagen vor der Tür.“ Oliver stand dicht hinter ihr und beobachtete, wie sie eine Kristallvase von einem Regal nahm und sie über der Spüle mit Wasser füllte. „Wollen Sie den Brief nicht lesen?“
Rain drehte sich um und bemerkte den offenen Briefumschlag in Olivers Hand.
„Er will, dass Sie ihm verzeihen. Was hat der Kerl denn angestellt?“ Oliver wedelte mit dem Brief hin und her.
Sie spürte, wie ihr Zorn erneut aufflammte, als sie nach dem Papier griff. „Das ist ein persönlicher Brief.“
„Und?“
Rain seufzte schwer. „Das ist ein Eingriff in meine Privatsphäre. Genauso, wie ohne mein Wissen oder meine Erlaubnis in mein Haus zu kommen. Und das muss aufhören.“
„Ich finde, das ist ein fairer Tausch. Ihr Job ist es, in meine Privatsphäre einzudringen. Sie stellen mir Fragen, damit Sie meinem Vater Bericht erstatten können.“
„Das alles haben wir doch schon mal besprochen, Oliver.“ Sie löste die Schleife, nahm die Blumen aus dem Papier und steckte sie in die Vase, die sie auf die Küchentheke gestellt hatte. „Alles, was du hier sagst, ist vertraulich. Es bleibt unter uns.“
„Ist alles andere, was hier passiert, auch vertraulich?“, fragte er mit leiser Stimme, die anscheinend verführerisch klingen sollte. Er baute sich vor ihr auf. Rain hatte bereits bemerkt, dass seine Augen rot und glasig wirkten. „Ich könnte auch Blumen schicken, wenn Sie das gern wollen.“
„Im Moment will ich, dass wir mit unserer Sitzung beginnen“, erwiderte sie ruhig. „Außerdem wüsste ich gern, ob du high bist.“ Sein Lächeln erstarb. Er murmelte etwas vor sich hin und wollte gehen. Aber Rain legte eine Hand auf seinen Arm. Olivers Verhalten heute Morgen war selbst für seine Verhältnissemehr als ungewöhnlich. „Irgendetwas beschäftigt dich doch. Warum gehen wir nicht in mein Büro …“
„Und reden?“ Er lachte bitter auf. „Glauben Sie wirklich, ich würde Ihnen irgendetwas erzählen, das wichtig ist?“
Sie sah ihm direkt in die Augen. „Ich hoffe, dass du das tust, ja.“
„Dann sind Sie offensichtlich high.“
„Oliver …“
Er riss seinen Arm so heftig zurück, dass dabei die Vase mit den Blumen zu Boden ging. Sie zerbrach in tausend Stücke. Oliver stand da, die Hände zu Fäusten geballt, und starrte auf das Durcheinander. Rains Magen zog sich zusammen, aber sie wich nicht zurück.
„Ist schon okay. Das war bloß ein Unfall.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Was auch immer los ist, lass mich dir helfen.“
Das zerbrochene Glas verwandelte den Fußboden in ein Minenfeld. Es knirschte unter Olivers Stiefeln, als er die Küche verließ. Einen Moment später hörte sie, wie die Eingangstür ins Schloss fiel.
Es klingelte an der Tür, als sie die Scherben gerade beseitigt hatte. Rain nahm an, dass Oliver zurückkam, um sich zu entschuldigen. Doch als sie die Tür öffnete, standen zwei Männer auf ihrer Veranda. Einen von ihnen kannte sie – es war Alex’ Freund, Brian Rivette. Aber dem anderen, ein dunkelhaariger Mann mit einem Pflaster an der Schläfe, war sie noch nie zuvor begegnet.
„Brian, wie schön, dich zu sehen.“ Rain begrüßte ihn mit einer herzlichen Umarmung. „Was führt dich an einem Freitagmorgen hierher?“
„Ich glaube, das soll er lieber erklären.“ Brian zeigte auf den anderen Mann. Er trug eine Stoffhose, ein Hemd und eine Krawatte. Sein Jackett hatte er offenbar mit Rücksicht auf die Hitze abgelegt. An seinem Gürtel hing ein Holster. „Das ist mein BruderTrevor. Er arbeitet fürs FBI.“
Rain wusste von Brians Schwester, doch sie
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