Nachtruf (German Edition)
Details zu erinnern. Nun schien es, als kehrten sie mit atemberaubender Klarheit zurück.
Trevor schlug die Decke zurück und setzte sich im Bett auf. Mit einer Hand strich er sich übers Gesicht und fröstelte, als die kühle Luft aus der Klimaanlage auf seine verschwitzte Haut traf. Dieses Mal war der Traum so lebendig gewesen, dass sein Herz noch immer laut klopfte. Er hatte förmlich gespürt, wie sich der kalte Stahl des Pistolenlaufs gegen seine Stirn presste, hatte den metallischen Ton der Kugel im Ohr, die in die Kammer fiel. Was noch schlimmer war: Annabelles ersticktes Schluchzen war wieder da und ihre Stimme, als sie um sein Leben bettelte. Und die Dienstmarke an James Rivettes Uniformhemd, die im Sonnenlicht glitzerte, das durch die kleinen Dachfenster drang.
Denkst du, ich würde es nicht tun, Trev?
Er hatte seinem Vater geantwortet, er solle zur Hölle fahren.
Die Bilder hatten an dieser Stelle gestoppt, und er war aus dem Schlaf aufgeschreckt.
Vor einigen Tagen, als er auf der Schwelle zu Annabelles altem Zimmer gestanden hatte, hatte sein Gedächtnis ihm einen flüchtigen Blick auf jene Szene erlaubt, bevor sich die Tür zu seinen Erinnerungen wieder geschlossen hatte. Heute Nacht jedoch, während er geschlafen hatte, waren die Bilder mit einem Mal ungehindert zurückgekehrt.
Trevor schwang die Beine über die Bettkante und spähte auf den Digitalwecker auf dem Nachttisch: 2:00 Uhr morgens. Im Lichtschimmer der Uhr konnte er die Glock 9 mm erkennen, die er in Reichweite neben den Wecker gelegt hatte.
Dantes neuestes Geschenk lag ebenfalls auf dem Nachttisch. Der Anblick holte ihn wieder in die Gegenwart zurück, genauso wie das Sirenengeheul eines Einsatzwagens, der am Hotel vorbeibrauste und schließlich in der Ferne verschwand. Nachdem er Rain nach Hause gebracht hatte, war Trevor direkt in sein Hotelzurückgekehrt. Er hatte sich nach einer heißen Dusche und nach ein paar Stunden Schlaf gesehnt, die er so dringend benötigte. Aber eine Nachricht an seiner Zimmertür teilte ihm mit, dass ein Paket an der Rezeption auf ihn wartete. Dieses Mal war es ein Smaragdring gewesen, der in einem schlichten weißen Umschlag ohne Absender gesteckt hatte.
Trevor schaltete die Lampe an und nahm die durchsichtige Plastiktüte zur Hand, in die er den Ring gesteckt hatte. Ein kurzer Brief des Unbekannten, wie letztes Mal in Blut geschrieben, lag ebenfalls in dem Beutel.
Sie war ein hübsches Mädchen. Wo waren Sie, Agent Rivette?
Er würde Rebecca Belknaps Eltern morgen von dem Ring erzählen und sich von ihnen bestätigen lassen, dass er auch wirklich ihrer Tochter gehört hatte. Anschließend würde der Ring zu den Beweismitteln kommen, bis die Ermittlungen abgeschlossen waren. Im Moment schien dieser Tag jedoch noch in sehr weiter Ferne zu liegen.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Instinktiv griff Trevor nach seiner Waffe, schlich zur Wand neben dem Fenster und schob den Vorhang ein Stück zur Seite. Als er Rain vor der Tür stehen sah, atmete er erleichtert auf.
Er schlüpfte in seine Jeans und öffnete. Die Waffe hielt er noch immer in der Rechten. Zumindest hatte er sie wieder gesichert. Rain trug kakifarbene Shorts und ein Top mit U-Boot-Ausschnitt. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie trug kein Make-up, noch nicht einmal Lippenstift. Dadurch wirkte sie in seinen Augen noch viel verletzlicher. Mit finsterem Blick sah er sie an, als Donner am Himmel grollte.
„Rain! Was zur Hölle …“ Er stockte. Was hatte sie hierhergetrieben? Sie standen im ersten Stock des Hotels. Unten auf der anderen Straßenseite konnte er ein Taxi sehen, das sich wieder in den Verkehr einfädelte.
Trevor trat einen Schritt zurück und ließ sie hinein. Rain sah erst zu dem zerwühlten Bett, dann wieder zu ihm. Auch wenn sie nichts weiter sagte, wanderte ihr Blick zu dem leichten Bluterguss auf seinem nackten Bauch, der von dem Zusammenstoß mit den zwei Männern im Ascension stammte.
„Ich konnte nicht schlafen“, gestand sie. „Ich muss die anderen Opfer sehen. Was ist, wenn ich sie auch kenne?“
„Sie sind also mitten in der Nacht ganz allein hierhergekommen? Ist eigentlich nichts von dem, was wir besprochen haben, zu Ihnen durchgedrungen?“
„Ich muss unbedingt die anderen Fotos sehen. Alle.“ Das Licht der Lampe betonte den Goldton in ihren bernsteinfarbenen Augen, und es schien ihm, als sähe er einen Schimmer unvergossener Tränen.
Trevor fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
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