Nachts im Zoo (Junge Liebe ) (German Edition)
Moment fast geistesabwesend.
Josh hielt inne, als er diese Frage vernahm. Sollte er? Das Angebot klang verlockend. Vielleicht würden sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal Sex haben. Josh verspürte große Lust dazu.
„Ich glaube, das geht nicht", antwortete er dennoch. „Wegen Kevin", erklärte er, ohne dass Lukas nachgefragt hatte. „Ich muss ihn versorgen, jeden Morgen."
War das wirklich der Grund? Oder eher die Angst vor einer Szene, die Kevin ihm sicher machen würde, würde er nicht nach Hause kommen.
„Jeden Morgen?", hakte Lukas nach. „Kann er das echt nicht alleine?"
Josh zuckte mit den Schultern.
„Es geht, aber schlecht."
„Kann es denn nicht ruhig mal einen Tag schlecht laufen? Bitte."
Lukas' hellblaue Augen waren flehend, und Josh konnte diese Bitte nicht ablehnen. Lukas war anders als die Männer, die er sonst traf.
Er war begehrenswert, verständnisvoll. Er zeigte Interesse und Zuneigung. Mit ihm konnte man quatschen. Bei ihm fühlte sich Josh geborgen, bei ihm hatte er das Gefühl, mehr als nur eine schnelle Nummer zu wollen.
Und in diesem Moment wollte er die Nacht über bleiben. Das spürte er sofort. Kevins Zorn musste er wohl oder übel in Kauf nehmen.
Josh hatte gerade den Gang zwischen den Käfigen gefegt und spritzte jetzt den Boden mit einem Gartenschlauch sauber. Mit Gummistiefeln watete er über den nassen Boden, bis ihn eine harsche Stimme unterbrach:
„Wo warst du denn gestern Nacht?"
Er schloss die Augen. Die erwartete Szene würde nun also beginnen. Er drehte sich, stellte das Wasser aus und sah auf den Rollstuhl, in dem Kevin saß.
„Bei einem Freund, was dagegen?"
Besser konnte er nicht kontern. Und Kevins Antwort blieb auch vorerst aus. Stattdessen sah er zu einem der Käfige, streckte die Hand aus und berührte damit die Nasenspitze eines Malaienbären, der seine Schnauze neugierig durch das Gitter schob.
„Hab mir Sorgen gemacht", sagte Kevin leise.
„Aber wieso denn?"
Josh kam näher. Seine Hand griff in Kevins schwarzes Haar und strich sanft darüber. Vielleicht würden so unnötige Spannungen erst gar nicht aufkommen.
„Ich find es nicht gut, dass du nachts draußen bist. Hast du vergessen, was passiert ist?"
Josh schüttelte den Kopf. „Nee, aber ich war ja nicht im Zoo."
Kevin verzog das Gesicht. „Sondern bei diesem Typ mit den Krücken?"
Josh nickte.
„Na klasse!", zischte Kevin. „Weißt du, wie lange ich gebraucht habe, um mich heute früh zu waschen? Über eine Stunde, und danach hatte ich Rückenschmerzen."
Josh senkte den Kopf. Damit hatte er gerechnet. Augenblicklich fühlte er sich schlecht, schuldig.
„Wird nicht wieder vorkommen, okay?"
Er hauchte Kevin einen Kuss auf die Wange, was bei seinem Bruder augenblicklich ein sanftes Lächeln aufs Gesicht zauberte.
„Hab dein Essen in den Pausenraum gelegt", sagte der, als wäre es eine Neuigkeit, dabei tat er es jeden Tag.
„Ja, danke." Josh seufzte, quälte sich ein Lächeln ab. Nervte ihn Kevin? Tat er ihm leid, oder war es einfach nur Liebe, die er empfand?
Feierabend. Die letzten Besucher verließen den Zoo, und Josh fand endlich etwas Ruhe, um genüsslich eine Zigarette rauchen zu können.
Dafür setzte er sich auf eine Bank, genau vor das Eisbärengehege. Dort warteten die vier weißen Bären schon sehnsüchtig darauf, in ihre Innenkäfige zu dürfen. Dicht gedrängt standen sie vor den Metalltüren, die in die Felsen eingebaut waren und hofften, dass diese bald aufgingen.
Thomas würde das wieder übernehmen, wie jeden Abend.
Wie unter Zwang sah Josh auf die Absperrung, die die Anlage umrahmte, auf die dichte Hecke, die dahinter war, und dann auf den kleinen Zaun, der die Besucher zusätzlich abhielt.
Man konnte noch die kaputten Äste der Hecke sehen, den Ort, wo die Auseinandersetzung zwischen Sven und seinem Mörder stattgefunden haben musste. Ein Schauer jagte Josh den Rücken hinunter, als er daran dachte, wie alles abgelaufen sein könnte.
„Schönen Feierabend!", rief plötzlich jemand laut, so dass Josh ein wenig zusammenzuckte.
In der Ferne sah er einen Tierpfleger, der für das Vogelrevier verantwortlich war, und welcher direkt aus der Fasanerie seinen Weg zum Ausgang nahm.
„Ja, dir auch!", rief Josh zurück. Er blieb sitzen. Er musste nicht nach Hause gehen. Der Zoo war gewissermaßen sein zu Hause.
Die erholsame Stille wurde durch das Klingeln seines Handys zerstört.
„Ja, hallo?", meldete sich Josh. Am anderen Ende wurde kurz
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